laut.de-Kritik
Vergessen ist auch eine Option.
Review von Franz Mauerer"Big Ole Album Vol. 1" gehört zu den schlechtesten Titeln aller Zeiten. Ein Name zum Erinnern also von A Day To Remember, deren Bandname mich an den alten Simpsons-Witz mit "Die Überspitzen" erinnert – der Name wird immer schlechter, je öfter man ihn hört. Die Scheibe kam physisch schon vor einem Monat heraus, auf den gängigen Streaming-Portalen ist sie aber erst im März gelandet.
Auf "Big Ole Album Vol. 1" befinden sich auch die zwei bereits 2022 und 2024 veröffentlichten Singles "Miracle" und "Feedback", so megaüberraschend kam die Veröffentlichung dann also doch nicht. Der Opener "Make It Make Sense" knallt überraschend energetisch. Mir war die Band seit langer Zeit nur nebenbei geläufig, ich hätte keinen Songtitel nennen können. Das ist insofern relevant, als dass das Internet überkocht mit enttäuschten frühen Fans, die die Band scheinbar mit viel Nostalgie betrachten und sich nach einer weniger poppigen Gangart sehnen. Das Mäandern zwischen Pop-Punk und dem Unwillen, mit alten Wurzeln zu brechen, wird in den einschlägigen Musikmagazinen hauptverantwortlich für den scheinbar schwächeren Output der Band gemacht, und insbesondere für das missratene "You're Welcome", für das aus Fansicht das (wirklich oft seltsam handelnde) Label Fueled By Ramen als Schuldiger auserkoren wurde.
Mit unvorbelastetem Blick erfindet der Opener das Rad zwar nicht neu und der Beginn wäre wie das Albumcover in den frühen 00ern schon peinlich gewesen, aber das Ding macht Spaß und findet immer wieder den richtigen Ansatz, um weiter bei der Stange zu halten. Der Unterschied zwischen Break und glatt produziertem Refrain fällt auf, stört hier aber nicht. "Feedback" gerät deutlich weniger interessant und ist ein 0815-Supersimpel-Pop-Punk-Versatzstück mit leichten Hardcore-Elementen in den Drums. Schlichter kann man in seiner Muttersprache kaum dichten, das dazugehörige Video kommt nie im Leben auf zwei Absätze Storyboard. Zwischen den lahmen Refrains steckt auf den dritten Blick durchaus viel gutes Handwerk drin.
Definitiv mehr als auf "Bad Blood", einer völlig blutlosen Nummer aus dem Fegefeuer des Pop-Punk, die gute zwei Minuten wie ein aufdringliches Kätzchen schnurrt, um dann unvermittelt in eine satirisch harte Metalcore-Passage zu verfallen, die wenige Sekunden später wieder vergessen scheint. Ich liebe Pygmy Lush, gegen kontrastreiche Musik habe ich gar nichts, aber das sind hier Teile, die sich partout nicht zusammenfügen.
Das behebt "All My Friends" insofern, als es komplett flach bleibt. Im Jahr 2025 unironisch noch einen "Heute gehe ich mit den Jungs mal einen heben, hihi, aber keine Sorge, wir übertreiben's nicht"-Song zu hören, hätte ich kaum für möglich gehalten. Auch das völlig belanglose "Die For Me", die sich wie widerlicher Kaugummi ziehende zweite Vorabsingle "Miracle" und das mit Pop-Noise ein ganz unnötiges neues Genre begründende und wirklich besonders miese "Same Team" pendeln sich auf diesem komplett missratenen Niveau ein. Sänger Jeremy McKinnon wirkt auf Albumlänge wie Rob Lowe in einem seiner gefühlt mehreren Filmen/Serien, in denen er aus der gar nicht so fernen Vergangenheit zeitreist und ein klein wenig, aber merklich altmodisch auftritt.
"To The Death" setzt die Reihe schrecklicher Songtitel fort, der Song beginnt gleichwohl energisch und geht in eine Industrial-ähnliche Strophe über- flott. Leider werfen die Floridians das alles mit dem Po bzw. dem Refrain wieder um. Super-poppig und mit Engelsstimme flötet Jimmy einen dermaßen absurden Stuss zusammen: "You'd push me over the edge / Cause I'm nothin' like you, nothin' like you". Durch diesen offenkundigen Versuch, irgendwelche Wörter zusammenzuklauben, die sich nach Lyrics anhören, geht die gesuchte Aggressivität und Verletzung natürlich flöten. "Flowers" zeigt anschaulich, dass der Pop im Pop-Punk der Band nicht gedeihen mag. Der Witz ist ja: Je anschmiegender die Musik, je weniger Haken man schmeißt, umso mehr muss alles sitzen. Doch "Closer Than You Think" verfliegt einfach, als wäre es nie dagewesen. Auch in "Flowers" wirkt das Growling neben schwachen Pop-Passagen wie eine, wie der Wiener sagen würde, g'schamige Übung, weil man bei der Band selbst merkt: Ist das langweilig, dann bauen wir halt was ein, von dem wir wissen, dass wir's können.
So vereinen sich nicht Welten, so bleiben "A Day To Remember" eine ganz billige Gimmick-Band. Songs wie "Silence" folgen keinem Laut-Leise-Schema, sie sind wahllos stellenweise laut oder leise. Die vierte Single "LeBron" zeigt als einziger Song eine Vision, wie sich das Album als Amalgam seiner Pole vielleicht anhören sollte und zumindest stellenweise, wo nicht ein Klavier im Hintergrund herumklimpert, die Frechheit und Chuzpe, die Pop-Punk dringend braucht. Doch selbst hier ist der 02:46 Minuten lange Song nach zwei Minuten auserzählt, sind die Ideen aufgebraucht. Auf kompletter Länge an einem Stück fast unhörbar.
4 Kommentare mit einer Antwort
Unfug, das Album macht durchweg Spaß und den durchwachsenen Vorgänger vergessen und hält eine gut ausbalancierte Waagschale aus den Stilen der Band. 1/5? In welcher Dimension sind wir?
Bitte auch "What Remains" von Pop Evil rezensieren
Dieser Kommentar wurde vor einem Tag durch den Autor entfernt.
Achso.. heute ist ja der 1. April..Ganz vergessen..
Da habt ihr mich schön drangekriegt laut.de
Dass Fans den Output zuletzt enttäuschend finden liegt weniger an der musikalischen Qualität, als daran, dass die Musikgeschichte für das geneigte Metalcore/Pop Punk Publikum anscheinend irgendwann um 2012 (in der Regel zusammen mit der iegenen Jugend) geendet hat und man seitdem in dieser Zeit festhängt.
Album is 'ne klassische 3/5. Manches funktioniert super (Miracle), manches überhaupt nicht (All My Friends als Millennial-Pop-Punk_Version von The Boys Are Back In Town zum Beispiel). Besser als das Album davor isses allemal.
Und yes, das Cover ist absolut hässlich.
Viele Fans wünschen sich nun mal die gute alte Zeit zurück. Hängt nun auch viel mit der eigenen Biographie zusammen.
Ich kann der Rezension überhaupt nicht zustimmen. Das Album gewinnt keinen Preis, ist aber gut hörbar (3/5).
Das Cover ist aber wirklich eine Katastrophe, stimmt.