laut.de-Kritik
Doch, irgendwie schon schön.
Review von Franz MauererEin wenig verwirrend: "Schön War Es Doch - Das Abschiedskonzert" ist ein Livealbum - vom namensgebenden Track "Aber Schön War Es Doch", der aus dem Studio stammt, abgesehen. Es handelt sich auch nicht um ein Abschiedskonzert, sondern diesem Album folgt eine Tournee, die Achim Reichel aber nicht als Abschiedstour versteht.
Bei den Aufnahmen handelt es um Mitschnitte aus dem Jahr 2023. Reichel feiert zwei Tage nach Veröffentlichung übrigens seinen 80sten. Da nehmen wir es mal nicht so genau und freuen uns eher darüber, dass man in China seinen 1991er-Song "Aloha Heja He" so sehr liebt und er sich knapp vor seiner neunten Dekade auf dem Opener "Fliegende Pferde - Live" wirklich ausgesprochen lebendig anhört. Seine Stimme trägt die gar nicht so wenig komplexe bluesige Nummer.
Der norddeutscheste Norddeutsche nach Werner und vor Hein Blöd legt auf der charmanten Folk-Schmusenummer "Wahre Liebe - Live" direkt nach und zeigt: Das ist keine Ausnahme, es hört sich wirklich an, als wären es maximal die 90er und Reichel quasi ein junger Hüpfer. Das liegt nicht nur an seiner Stimme, sondern auch an der Spiellust des Hamburgers, gut nachzuhören auf dem alten Hit "Der Spieler - Live", der schon immer etwas von den Dire Straits hatte.
Überhaupt liefert Reichel keine Rentnernummer ab. Druck und Hektik machen ihm keine Angst. Die rockige Nummer "Sophie Mein Henkersmädel - Live" macht mitsamt Trompeten richtig Bock. Dasselbe gilt für die treibende Bassline von "Nis Randers - Live". Ähnlich wie der Spieler ist "Boxer Kutte - Live" aus guten Gründen nicht totzukriegen, denn grundehrliche Sozialkritik ist rar gesät in unseren Gefilden.
Alles kann Reichel dann aber nicht, und auch, wenn die Zusammenstellung durchaus viel Sonne zeigt, bleibt "Exxon Valdez - Live" bestellter Kitsch mit Laberei. An "Trutz Blanke Hans - Live" von Detlev von Lillencron überhebt er sich zudem nach wie vor. Wenn Reichel daneben langt, dann so richtig, etwa bei dem ganz schlimmen Stampfer "Auf Der Reeperbahn Nachts Um Halb Eins - Live" und dem apathischen "Halt Die Welt An (Für Immer Glücklich Mehr Geht Nicht) - Live".
Wie viele Flens man ploppen müsste, bis die doofen Schunkeleien "John Maynard - Live" und "Halla Ballou Balle - Live" mehr als Bespielung für Blankeneser Altenheime sein könnten, und wie der Schmarren "John Maynard" 1978 neben der schönen "Regenballade" auf demselben Album stehen konnte, bleibt Reichels Geheimnis - und verstehen Fontane und Seidel wohl auch nicht. Gerade der Theodor steht dem Sänger gar nicht gut, wie das auf vielen niedersächsischen Schützenfesten rezitierte, grottenschlechte "Herr Von Ribbeck 95 - Live" eindrücklich beweist.
Den leicht abgewandelten Ausdruck "Leben Leben- Live" erfand nicht etwa Hafti, sondern der Liedermacher aus dem Norden, dessen Fähigkeit, mit simplen Mitteln abzuliefern, ehrlich beeindruckt. Lustlos stolpert Reichel gleichwohl durch "Der Mond Ist Aufgegangen - Live". "Steaks + Bier + Zigaretten - Live" von 1985 zeigt wie das ebenfalls aus den 80ern stammende "Kreuzworträtsel - Live", dagegen, wie Quatschlied kompetent und charmant geht.
Es ist angesichts solcher, emotional greifbarer Texte kaum zu fassen, wie schlecht, geradezu senil "Kuddel Daddel Du - Live" kommt, dem selbst der flüchtige Reiz von "Aloha Heja He - Live" fehlt. "Aber Schön War Es Doch", findet Achim letztendlich, und recht hat er. Ungefähr die Hälfte der Songs war sogar sehr schön, der Rest inklusive diesem letzten Song hingegen muss mit dem 'doch' gemeint sein.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Hinter jedes Lied einer Live-Platte in der Rezension "- Live" zu schreiben, ist irgendwie unnötig, oder?
@Beimer:
Stimmt.
Das letzte Stück ist ein Studio-Stück. Wäre allerdings auch unnötig, hier als einzigem Lied "Nicht-Live" anzufügen.
Gruß
Skywise
Würde schwer vermuten, dass das eine KI verzapft hat.
Achim Reichel scheint die Begriffsdefinition von Abschiedkonzert/-Tournee von Ozzy/Sharon Osbourne übernommen zu haben...- davon ab; das Album ist rauh, schön mit Bläsern und nett arrangiert. Der Sound scheint von irgendeinem im Publikum verteilten DAT Rekorder zu stammen- Schlagzeug schön abzumischen und die Instrumente in den Raum zu stellen war wohl nicht nötig.