laut.de-Kritik
Das perfekte Thema für langsam kriechenden Doom.
Review von Manuel BergerDie Nautik-Doom-Metaller Ahab haben eine neue Inspirationsquelle gefunden: William Hope Hodgsons "The Boats Of The Glen Carrig". Seefahrer stranden auf einer Insel und kämpfen in Survival-Horror-Manier gegen diverse Ungeheuer. Einige davon halb Mensch, halb Schnecke. Perfektes Thema für langsam kriechenden Doom. Dazu lautet die Frage in erster Linie: Kann die Musik mit dem grandiosen Coverartwork mithalten?
Definitiv ja. "The Boats Of The Glen Carrig" hat zwar seine Schwächen – dazu später mehr – bleibt insgesamt aber der Qualitätstradition Ahabs treu. Die Aufgabe, die Hoffnungslosigkeit der Schiffbrüchigen, die Konfrontation mit Kreaturen der Dunkelheit musikalisch einzufangen, erfüllt die Band mit Bravour. Für meinen Geschmack ist auch die Entwicklung im Vergleich zum Vorgänger "The Giant" gelungen. Insgesamt geht es doch etwas progressiver zu auf Album Nummer vier.
Natürlich prägt nach wie vor die brachiale Wucht der Gitarrenwände Ahabs Musik vordergründig. Gepaart mit Daniel Drostes Growls wirkt daneben selbst der Leviathan klein. Darin waren die Stuttgarter aber schließlich schon immer gut. Eine Schippe draufgelegt haben sie vor allem in den ruhigen Passagen.
Erwähnt sei hier besonders der Albumeinstieg "The Isle". Dessen Beginn mit sanften Akkorden und Clean-Vocal-Wehklagen erzeugt gleich zu Beginn Atmosphäre. Der Closer "To Mourn Job" bedient sich ähnlicher Mittel. Besonders das Delay-Pedal hat es den Saitenmännern angetan.
Obwohl diese milderen Parts für sich betrachtet ohne Vorkenntnisse nicht darauf schließen lassen, welche Stürme hernach aufbrausen werden, gelingen die Wechsel sehr flüssig. "To Mourn Job" beispielsweise beginnt nach einer Weile, die schwebenden Akkorde mit unruhiger werdenden Drums zu durchsetzen und zieht gleichzeitig das Tempo an, bevor die Welle schließlich erbarmungslos hereinbricht.
Es geht aber auch anders: "The Weedmen" hält sich gar nicht erst mit Vorgeplänkel auf. Von Anfang an erstickt die Langsamkeitswalze alles und jeden. Ultratiefe Growls läuten die Ankunft der sogenannten "Weedmen" ein. "No moon that would shine upon" – das trifft die Stimmung des Tracks (der langsamste in Ahabs bisheriger Karriere) ganz gut. Nach einem Clean-Vocal-Zwischenpart geht es jedoch in ein – für Ahab-Verhältnisse – treibendes Riff über, auf das sich bald ein schönes Solo legt.
Direkt vor diesem gerade beschriebenen 15-Minuten-Monstrum gibt es übrigens das andere Extrem: den schnellsten Song in Ahabs bisheriger Karriere. "Red Foam (The Great Storm)" ist zwar im Grunde immer noch recht behäbig, im Bandkontext darf man das aber getrost als 'Up-Tempo' bezeichnen. Nach sechseinhalb Minuten ist die Sause schon rum, das größte Problem von "The Boats Of The Glen Carrig" macht allerdings auch vor dem Flitzer nicht Halt: Auf Dauer fehlt schlichtweg die Abwechslung.
Ausgenommen "The Isle" merkt man den Songs ihre Länge deutlich an. Einzig der Aufbau des Openers umschifft dieses Manko. Hier ist ein roter Faden zu erkennen, an dem sich die Musiker entlanghangeln und den Song kontinuierlich entwickeln. Beim Rest fehlen im Endeffekt oft einfach die Ideen, um die jeweilige Songlänge von zehn bis fünfzehn oder im Falle von "Red Foam (The Great Storm)" auch mal 'nur' sechseinhalb Minuten zu rechtfertigen.
Die einzelnen Parts sind zwar gut, versprühen Atmo und die Wechsel untereinander funktionieren wie gesagt stimmig. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass das Prinzip immer wieder dasselbe bleibt. Besonderheiten wie das mittig platzierte Solo in "Red Foam (The Great Storm)" und vor allem die Donner-Toms, die "The Thing That Made Search" um Minute sieben herum enorm aufwerten, stechen hervor. Um diese Highlights herum herrscht hingegen Ereignisarmut. Häufig mäandern die Stücke vor sich hin, und ähneln sich bisweilen darin auch sehr.
Ohne Frage ist Ahabs Viertling ein gutes Album geworden. Es hat Atmosphäre, Riffgewalt und ist dazu wahnsinnig gut produziert. Doch auch wenn – wie es sich für eine Funeral Doom-Platte nun mal gehört – die Finsternis Ahabs jegliche Helligkeit verschluckt, verdunkeln auch im übertragenen Sinne einige Schatten die Lichtquellen.
Inmitten stürmischer See ist leider auch ein wenig Potenzial verloren gegangen, die "The Boats Of The Glen Carrig" noch in sich getragen hätte. Fans und Doomfreunde können trotzdem zulangen. Und dank des progressiveren Ansatzes, könnte auch der ein oder andere Genrefremde Gefallen an diesem Monument finden. Ahoi!
2 Kommentare mit 4 Antworten
Kann mich der Rezension inhaltlich nur anschließen, für mich genau die richtige Entwicklungsrichtung nach "The Giant". Ich schätze, ob man die Stücke auf ihre Länge gesehen zu wenig abwechslungsreich findet, hängt nicht zuletzt von der Stimmung ab, in der man das Album hört.
"hängt nicht zuletzt von der Stimmung ab"
Welche Stimmung macht den eher 4 Sternchen für das Album?
Gruß Speedi
Eine melancholische Grundstimmung ist dem Hörerlebnis auf jeden Fall zuträglich. "The Light in the Weed (Mary Madison)" war mir auch zu lang, die anderen Stücke aber nicht ("The Thing That Made Search" ist für mich der zweite eher durchschnittliche Track, aber nicht der Länge wegen).
Ah darum nach 3 min allenfalls 2 Sternchen, das passt aktuell gar nicht. Meine Stimmung ist eher euphorisch gerade und zieht sich schon eine Weile.
Gibt einfach Bands, für die man in der richtigen Stimmung sein muss.
Hab die seit dem Debüt nicht mehr aufm Schirm gehabt. Scheint zu lohnen...