laut.de-Kritik

Düsterer und bedrohlicher als die schwerelose "Moon Safari".

Review von

Vor drei Jahren brachten Air mit "Moon Safari" die französische Elektronikszene in den Mittelpunkt des Interesses. Ihre Musik schien zu schweben und auch der Hörer hatte nach einiger Zeit das Gefühl von Schwerelosigkeit. Vor allem die Single "All I Need" war es damals, die Jean-Benoit Dunckel und Nicolas Godin zu Stars und eine Menge Menschen glücklich machte.

Doch das war damals. "10000 Hz Legend" ist heute. Von der Fröhlichkeit und Leichtigkeit ist unterwegs viel verloren gegangen. Der Opener "Electronic Performers" besitzt zwar noch immer diese weichen, fließenden Keyboardflächen, aber der Beat dazu ist für Air ungewöhnlich hart. Besonders die verfremdete Stimme im zweiten Teil des Stückes verleiht ihm - wie schon auf "The Virgin Suicides" - etwas dunkles. "How Does It Make You Feel?" fragen Air im Anschluss daran, aber zu diesem Zeitpunkt ist es noch zu früh, um diese Frage realistisch beantworten zu können.

Die erste Singleauskopplung "Radio #1" wird zwar nicht selbige werden, hat aber das Zeug zum Hit. Nur der Gesang am Ende ist doch etwas gewöhnungsbedürftig. Danach versucht sich Beck als der Junge mit der Mundharmonika. "The Vagabond" geht durchaus in Ordnung und doch denke ich sehnsüchtig an ein Stück wie "La Femme D'Argent" zurück. "Radian" kann dieses Gefühl dann zum ersten Mal abklingen lassen. Nachdem wiederum düsteren, beinahe bedrohlichen Beginn setzen nach einer Zeit all die Klänge ein, die "Moon Safari" so liebenswert machten. Und doch, ein wenig Melancholie klingt auch hier mit. "Lucky And Unhappy" poltert anfangs noch etwas unbeholfen umher, entwickelt aber nach einer Weile seinen Reiz.

"Sex Born Poison" ist pure Schwermut mit mehr als sechs Minuten Länge. Die fast schon vorsichtig gespielte Akustikgitarre wird im Refrain vollkommen erdrückt. Gegen Ende kommen noch C64-Soundschnipsel und Streicher dazu und trotz dieser scheinbaren Konfusion hat "Sex Born Poison" etwas majestätisches. "People In The City" erinnert mich an irgendetwas, aber ich komme auch nach einer Woche nicht darauf. Ein schöner Song auf alle Fälle, wenn auch nicht so fesselnd wie einige der vorangegangenen. Die Geräusche am Ende lassen allerdings die Frage aufkommen, ob Air absichtlich die wohlklingende Welt, die sie mit "Moon Safari" geschaffen haben, zerstören wollen.

"Don't Be Light" klingt einerseits wie im Schlafzimmer zusammengebastelt, andererseits als hätten Daft Punk zwischenzeitlich mit Hand angelegt. Der letzte Track, "Caramel Prisoner", ist keineswegs so süß und klebrig, wie der Titel vielleicht vermuten ließe. Noch einmal von allem etwas, die typische akustische Gitarre, Keyboard und ab und an rauschen undefinierbare Klänge durch den Raum.

Jean-Benoit Dunckel und Nicolas Godin schreiben nach wie vor ausnehmend gute und auch schöne Songs. "10000 Hz Legend" ist somit ein gelungenes Album geworden, auch wenn die Platte eine Zeit braucht, bis sie ihre Schönheit offenbart. Jedoch steht am Ende die Erkenntnis, dass Air wohl nie wieder so unbeschwert wie zu "Moon Safari"-Zeiten klingen werden. Schade eigentlich.

Trackliste

  1. 1. Electronic Performers
  2. 2. How Does It Make You Feel?
  3. 3. Radio #1
  4. 4. The Vagabound
  5. 5. Radian
  6. 6. Lucky & Unhappy
  7. 7. Sex Born Poison
  8. 8. People In The City
  9. 9. Wonder Milky Bitch
  10. 10. Don't Be Light
  11. 11. Caramel Prisoner

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