laut.de-Kritik
Eventuell fühlt sich spirituelle Erleuchtung an wie diese Platte.
Review von Toni HennigDie Schweizerin Aisha Devi hatte nach einem spirituellen Erweckungserlebnis ihr Pseudonym Kate Wax 2012 ad acta gelegt und sich unter ihrem Klarnamen musikalisch neu erfunden. Sie besann sich somit auf ihre nepalesisch-tibetischen Wurzeln. Auf ihrem fantastischen Debüt "Of Matter And Spirit" von 2015 gingen ihr klassischer Sopran- und kehliger Obertongesang sowie technoide Klänge eine verführerische Symbiose ein. Auf dem Nachfolger "DNA Feelings" folgt sie nun ihrer inneren Stimme.
Schon im Opener "DNA ? 8" arbeitet sie mit Frequenzen, die kontinuierlich auf- und abebben und daher ungeahnte Energien freisetzen. Diese paaren sich in dem Track mit ihrem bis zur Unkenntlichkeit verfremdeten gutturalen Gesang, der sich an die Tradition tibetischer Mönche anlehnt. Durch dieses Wechselspiel entsteht ein eigentümlicher Flow. Der zieht sich ebenso wie die bemerkenswerte Stimmakrobatik der Schweizerin durch die gesamte Platte. Einerseits bietet das Werk euphorische Höhepunkte und andererseits meditative Ruhepole. Dadurch begibt man sich als Hörer auf eine spirituelle Klangreise.
Die technoiden Elemente des Vorgängers stehen auf "DNA Feelings" mehr im Hintergrund. Sie weichen ungewöhnlichen, polyharmonischen Sounds, in die sich Aisha Devi mehr als je zuvor gesanglich treiben lässt. So gleicht ihre Musik auf dem Werk sicherlich einer guten Massage. Sie habe während des Aufnahmeprozesses für die Scheibe versucht, so wenig Ego wie möglich in ihre Musik zu packen, erklärte die Klangschamanin kürzlich in einem Interview. Dies erreichte sie mit Meditation. Darüber hinaus experimentiert sie auf dieser Platte mit binauralen Beats, die vermutlich sogar eine heilende Wirkung haben.
Dieser Ansatz prägt vor allem "Time Is The Illusion Of Solidity", das mit deepen Ambient-Flächen und Subbässen sowie beschwörenden Spoken Words in psychedelische Klangsphären führt. Dabei spricht den Text, der die Unveränderlichkeit unserer DNA als eine Täuschung entlarvt, die Online-Stimme Julie ein.
Oftmals geht es in ihren Texten darum, als Mensch die Dreidimensionalität zu überwinden und in eine andere Stufe des Bewusstseins überzutreten, aber diese esoterischen Gedanken machen nur ein Teil der artifiziellen Kunstfigur Aisha Devi aus. Mit ihren Pop-Mantras, die sie mit hochmodernen Maschinenklängen kreuzt, erschafft sie Räume für eigene Utopien. Wie eine schöne, neue Welt klingt ihre Musik dennoch nicht.
Deshalb setzt sie in "Hyperlands" elektronisch erzeugten Flötensounds schroffe Noise-Akzente entgegen. "Inner State Of Alchemy" löst als industrielles Techno-Stück im Anschluss Unbehagen in der Magengegend aus. Kitschige Goa-Klischees vermeidet Aisha, dennoch erweist sich die Platte unter der brodelnden, dystopischen Oberfläche als lichtdurchlässig genug, um nicht ins all zu Düstere und Negative abzugleiten.
"Aetherave" durchziehen demgemäß buddhistische Klänge, die etwas Zeremonielles aufweisen. Außerdem herrscht in dieser Nummer zwischen Trance und Exstase ein ausgewogenes Gleichgewicht. Süchtig machendes Potential offenbaren gleichermaßen die fernöstlichen Trommelrhythmen und die hochgepitchten Chants der Schweizerin in "Light Luxury". Bis die finalen Ambient-Töne in "Cell Stems Spa" eine noch ungewisse Zukunft zeichnen, hat sich dem Hörer die letzten rund vierzig Minuten ein ganzes Universum an Sounds und Eindrücken eröffnet. Eventuell fühlt sich spirituelle Erleuchtung so an wie diese Platte.
Insgesamt belebt Aisha Devi mit "DNA Feelings" Körper und Geist auf erfrischende Art und Weise. Zusätzlich hat Ville Haimala von Amnesia Scanner die Tracks dieser Scheibe gemischt. Er trägt dafür Rechnung, dass sie sowohl über Kopfhörer als auch über eine riesige Anlage im Clubkontext funktionieren. Auf jeden Fall möchte man als Hörer noch sehr lange in diese Musik eintauchen, die mit jeder weiteren Umrundung im CD-Player an hypnotischer Anziehungskraft gewinnt.
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