laut.de-Kritik
Sieh an: Der Elektro-Radikalo wird sentimental.
Review von Jasmin LützAlec Empire ist wohl einer der wenigen Deutschen im internationalen Rock-Zirkus, den man immer noch als coole Sau Metallic bezeichnen kann. Bereits als Teenager rotzte er mit seiner Band Die Kinder auf den Bühnen herum und war später mit seinen Atari Teenage Riot sowas wie der Vater der Punk-Noise-Attacke. Dabei aber stets das Motto "Keep On Dancing" im Visier.
Genau dies bestätigt er uns nun lautstark im Opener "New Man" seiner neusten Veröffentlichung "The Golden Fortaste Of Heaven". Seine Wut und Meinung stellt Alec nach wie vor zensurfrei öffentlich zur Schau, mal zurückhaltend, mal aufdringlich-heiser. Und doch entdeckt man einen neuen Alec Empire. Die Liebe zum Mixen verschiedener Sounds ist zwar geblieben, aber die Songs werden melodiöser ("Death Trap In 3D") und zuweilen intimer. Das Krachometer fällt und Mr. Synthie-Rock mutiert mehr und mehr zum extravaganten Popstar.
Das war nicht immer so. Seine Fans, u.a. auch Promis des Genres wie Dave Grohl oder Trent Reznor, lieben ihn seit Jahren für wütende Elektro-Beats und radikale Texte. Doch die Arbeit im Quartett wurde mit der Zeit komplizierter. Empire ist daher schon länger alleine unterwegs und lebte einige Zeit in England. Mittlerweile fühlt er sich an der Spree wieder wohler und gründete seine Plattenfirma "Eat Your Heart Out Records", auf der natürlich sein Baby "The Golden Fortaste Of Heaven" erscheint.
Politisch scheint soweit alles gesagt, mittlerweile geht es mehr um persönliche Empfindungen. Dennoch lässt Empire seine Vergangenheit nicht völlig hinter sich ("I.C.E. - As If She Could Steal A Piece Of My Glamour"). Die Drum-Machines versetzen einen zurück in die 80er Jahre nach New York.
Dass die Trash-Ikone das Rocken nicht verlernt hat, liegt zu einem guten Teil an der neuen Truppe The Hellish Vortex. Sämtliche musikalische Epochen werden zitiert; Hendrix-Gitarren, 90er Club-Ambiente ("Bug On My Windshield"), der Punk-Blues von Birthday Party ("No-Why-New York") und stimmlich tänzelt Empire stets zwischen Bowie und Mark E. Smith.
Sentimental wird der Alt-Punk in "1000 Eyes". Die etwas andere Ballade mit düsteren Tönen und kreischenden Effekten. Hier beginnt die Autobiographie über die Rückkehr nach Berlin, Leidenschaften und den wunden Punkt in der Liebe. Dass der Berserker auch versöhnliche Töne mag, wissen wir bereits seit der 1996er Platte "Les Étoiles Des Filles Mortes". Angehauchte französische Experimente im Lounge-Ambiente der 70er Jahre. Den Mann steckt man halt nicht so leicht in eine Schublade.
Nach etwa sieben Minuten ist dann aber auch wieder Schluss mit dem gefühlvollen Quatsch und "Down Satan Down" leitet über ins aggressive "On Fire". Die wütenden Gitarren mit den echten Drums sind nichts für schwache Nerven. Wer auf wilden Sex mit tüchtigen Drogenexzessen steht, sollte sich das dazugehörige Video anschauen.
Dafür meldete sich übrigens Natalia Avelon (die Uschi Obermaier 2007 in "Das Wilde Leben" verkörperte) freiwilig und ein Rob Zombie (der u.a. "House Of 1000 Corpes" drehte) hätte sicher seine helle Freude daran. Wer allerdings schon bei der Grippeimpfung ohnmächtig wird, sollte besser Abstand nehmen und sich an "Robot Love" anschmiegen, der ist wiederum ganz zutraulich.
Und doch: "The Golden Fortaste Of Heaven" geht mehr in Richtung Depeche Mode als Einstürzende Neubauten, was so nicht unbedingt zu erwarten war.
1 Kommentar
Wieso das Album nur 3 Punkte bekommt, hat sich mir aus dem Text nicht ganz erschlossen.