laut.de-Kritik
Kommen einem die süffigen Songs nicht irgendwann trivial vor?
Review von Anne Nußbaum"It's not like a déjà vu", sind die lieblich gesungenen Worte, begleitet von dämmrigem Laptop-Beat, die "Body Music" eröffnen. Und doch kommt die Hörerfahrung einem Déjà-Vu gleich: Diese federweiche Mädchenstimme ist keine Unbekannte.
Zumindest, wenn man die Entwicklungen im musikalisch interessierten Teil der Blogosphäre verfolgt. Hier machten in den letzten Monaten zwei gehörig gehypte Phänomene die Runde, deren Erfolg gewiss auch dem auffallend niedlichen Gesang Aluna Francis' geschuldet ist: Für ihren Smasher "
Schon die drei Songs starke 2012er EP ließ hoffen: Wenn auch nichts Großes oder Neuartiges, so doch zumindest unterhaltsame Kurzweil. Und den hier angedeuteten Pfad beschreiten die beiden Briten auf Albumlänge konsequent weiter. Den Underground-Charme längst abgestreift, reinterpretieren Aluna Francis und Produzent George Reid den Mainstream-R'n'B der 90er.
Was vor einiger Zeit vielleicht noch als Guilty Pleasure in die untersten Fächer der Plattenkiste geschoben wurde, ist jetzt durchaus vorzeigbar: Die unverhohlene Verehrung in Indie-Kreisen ehemals geächteter Popmusik aus Jugend- und Kindheitstagen, wie AlunaGeorge sie betreiben wirkt befreiend. Mit der Coverversion von
So wie schon
Die Clicks-and-Cuts-Komplexitäten einer Single wie "We Are Chosen" haben sie weitgehend abgelegt. So versammeln die jungen Londoner hier alle ästhetischen Stilprinzipien, die im Jahr 2013 eine interessante und zugleich Airplay versprechende Platte kennzeichnen. Seidig softe Vocals mit höchstmöglicher Dosis an Kindlichkeit, reduzierte, hier sanft trippelnde, dort etwas herbere Beats zu schwebenden, hauchzarten Hooklines. Diese ziert eine Verspultheit, die nicht verstört, sondern Massenappeal erwarten lässt.
So kreiert Reid mal eine schummrig aufgeladene Atmosphäre, in der klackernde Cowbell und Schmachtgesang sachte ineinander fließen, dann produziert er unerhört eingängige Banger wie "You Know You Like It" und "Attracting Flies", die freimütig größtmöglicher Gefälligkeit frönen.
Wie schon beim kanadischen Duo
Der Veröffentlichungszeitpunkt könnte kaum besser gewählt sein. Wer will in der Hitze schon getragene Melodien und schwer verdauliche Poetentexte hören? Der manchmal seichte Seifenblasen-Pop wirkt so mühelos, so angenehm leichtfüßig wie ein Kinderspiel, das nie ins Stocken gerät.
"Is this paper all I've got ... to keep you from fading away", fragt sich Francis in "Outlines". Unvermeidlich stellt sich die Frage allerdings auch außerhalb des Songnarrativs: Wie lange dauert es, bis der Reiz der geschmeidigen Melodien, des harmonischen Einklangs von AlunaGeorge verblasst? Kommen einem die süffigen Songs nicht irgendwann trivial vor? Sehnt man sich früher oder später vielleicht nicht nach einem Schattenplatz, um sich vor Sonne, Bubblegum und Daseinsfreude zu schützen?
Möglicherweise. Aber bis dahin muss sich niemand schämen, sich am süßen Flöten auf "Attracting Flies" und an den stotternd gechoppten Stimmensamples auf "Diver" oder "Lost & Found" den ganzen Sommer lang zu ergötzen. Auch wenn es vielleicht nur ein kurzer wird.
3 Kommentare
DANKE! Für diese fantastische und sehr umfangreiche Review, die trifft es auf den Punkt!
Hab mir das Album heute zugelegt und es ist einfach herrlicher, erfrischend neuer R'n'B. Ich liebe es total! Kann mir allerdings auch vorstellen, dass sich die Songs nach einiger Zeit abnutzen. Das tut dem ganzen aber keinen Abbruch, zumindest diesen Sommer wird das Album ein großartiger kurzweiliger Spaß
Anne Nußbaum, kannst du nicht bitte alle Rezensionen zu den R'n'B-Alben schreiben?
Finde das Album auch sehr nett. Your Drums und Attracting flies sind super. Schade das White Noise nicht drauf ist.