laut.de-Kritik
Als die Frauen noch Schwänze hatten.
Review von Kai ButterweckEs gibt Projekte, die jagen einem schon im Vorfeld einen kalten Schauer über den Rücken. Noch ehe man mit dem Resultat konfrontiert wird. Ob Phil Collins hinter der Led Zeppelin-Schießbude, Chris Cornell als Zach De La Rocha -Ersatz oder Guns N' Roses ohne Slash, Duff, Izzy und Steven: Man mühte sich zwar redlich, aber nur selten kam die Magie des Originalprodukts zum Vorschein.
Als sich vor einigen Wochen die Trackliste des neuen Anastacia-Albums wie ein Lauffeuer im Internet verbreitete, zuckten Experten und Kritiker erneut erschrocken zusammen: "Back In Black"? "Sweet Child O' Mine"? "Wonderwall"? Es fällt wahrlich schwer, festgefahrene Vorbehalte beiseite zu schieben, wenn man sich die finetunige Soul-Amazone in versifften Brian Johnson-Röhrenjeans oder mit Gallagher-Trainingsjacke und zerzaustem Pilzkopf vorstellt.
Anastacia versteht die ganze Aufregung natürlich nicht: "Ich spüre diese Rockenergie in meinem Innern. In mir kommen Rock, Pop und Soul zusammen. Der Rock hat mir zuletzt gefehlt. Deshalb habe ich mich jetzt für 'It's A Man's World' mit Coverversionen entschieden", berichtet die Amerikanerin selbstbewusst. "Schau'n mer mal", würde der Kaiser jetzt sagen.
Los gehts mit dem Zeppelin-Klassiker "Ramble On", dessen Instrumentierung und Struktur sich relativ nah am Original orientieren. Anastacias markantes Timbre passt sich dem Retro-Treiben erstaunlich gut an, auch wenn der kantige Vibe der Urproduktion weitestgehend auf der Strecke bleibt.
Spätestens beim anschließenden Versuch, den Kaugummi kauenden Dave Grohl zu imitieren, beißt die Soul-Gazelle aber auf Granit. Das liegt zum einen an der leblosen Background-Vorstellung ihrer Studio-Komparsen, zum anderen am drucklosen Mikrofon-Auftritt der Lady an vorderster Front.
Mit dem Dreier-Package bestehend aus "Sweet Child O' Mine", "You Can't Always Get What You Want" und "One" verschafft sich Anastacia mit perfekt zu ihrer Stimmfarbe passendem Liedgut etwas Luft. Halbballaden und gemütliche Schunkelrocker: Das passt.
Scheinbar angestachelt von den vergangenen zwölf Minuten und vollgepumpt mit Adrenalin will es die Chicagoerin jetzt richtig wissen. Mit "Back In Black" vergreift sich die Sängerin an einer der wohl verbotensten Früchte der Rock'n'Roll-Historie. Das Resultat gleicht einem Fiasko. Bereits nach wenigen Sekunden schrillen die Alarmglocken eines jeden Starkstrom-Liebhabers, denn der Versuch dem AC/DC-Klassiker einen femininen Touch zu verpassen, scheitert bereits mit Beginn der ersten Strophe.
Nicht ganz so desaströs präsentiert sich hingegen das anschließende "Dream On", wenngleich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Steven Tyler nach dem Genuss der Neuinterpretation eines seiner liebsten Babys für eine zukünftige Duett-Vorstellung stark machen wird, eher gering ausfallen dürfte.
Auch die Jungs von Kings Of Leon ("Use Somebody"), Bon Jovi ("You Give Love A Bad Name") und Oasis ("Wonderwall") werden wohl kaum anerkennend mit den Köpfen nicken, wenn ihnen zu Gehör kommt, was das selbsternannte "Sprock Chick" mit ihren Perlen angestellt hat. Aalglatt und blutleer plätschert das finale Dreiergespann vor sich hin und liefert einmal mehr den Beweis dafür, warum die antike Apelles-Anekdote "Schuster, bleib bei deinem Leisten" auch heute noch gerne aus dem Archiv gekramt wird.
Bis auf wenige Ausnahmen geht Anastacias "Rock'n'Roll-Wagnis" nach hinten los. Der Sängerin die alleinige Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, wäre allerdings unfair. Ein Großteil des Kuhfladens, den man mit aller Kraft in Richtung Chicago schmeißen möchte, sollte nämlich im Gesicht von Produzent Glenn Ballard (Rolling Stones, Van Halen, Michael Jackson) landen, der dem gesamten Projekt mit glattgebügelten Singstar-Sounds jedwede Qualitäts-Basis entzieht. So, jetzt schnurstracks ins Bad - zum Händewaschen.
24 Kommentare
ich denke nicht, dass die nicht Rock singen könnte oder kann. Ich denke einfach, der Sound wurde zu glattgebügelt und wenn man das noch mit grossen Vorbildern tut, ists gleich doppelt verschissen. Tja.
shaki dagegen hat "back in black" ganz ok hinbekommen, finde ich...
http://www.youtube.com/watch?v=9ZNt3Ac-wsw
Alter, die gibs noch ?
@dein_boeser_Anwalt (« shaki dagegen hat "back in black" ganz ok hinbekommen, finde ich...
http://www.youtube.com/watch?v=9ZNt3Ac-wsw »):
Shakira - gosh, i love her.
Cafi
Nein, die Idee ist gut, ich bestehe darauf.
Nach all dem was ich für laut.de getan habe und tun werde ist das ja wohl ein vergleichsweise kleiner Wunsch.