laut.de-Kritik
Zeitlos schönes Debüt der jungen Schwedin.
Review von Benjamin FuchsLändliche Idylle in Grautönen. Ein Mann trotzt dem scharfen Küstenwind bei einem Spaziergang am Meer, Kühe grasen zwischen Sträuchern, und eine Hütte wirft, angestrahlt von der untergehenden Sonne, lange Schatten. Die Bilder im Booklet spiegeln eine gewisse Abgeschiedenheit und Ruhe, aber auch jene vereinzelte Rauheit wider, die auch in vielen Songs von "Somebody Outside" aufsteigt.
Mit den zehn Stücken legt die schwedische Sängerin und Songschreiberin Anna Ternheim ein reifes, zeitlos schönes Debüt vor, das sich mit den absoluten Größen ihres Genres locker messen kann. In ihrer Heimat ist die Scheibe wohlbekannt. Dort erschien sie nämlich bereits im Herbst 2004.
Ternheim singt über Einsamkeit, die Vergänglichkeit von menschlichen Beziehungen, über Liebe und ihre Zerstörung. Dabei verfällt sie aber nicht in selbstmitleidiges Pathos oder übertriebene Schwermut. Es bleibt immer Platz für ein wenig Licht und Hoffnung. Die Schwedin lässt schwere Themen gelassen heraus, verpackt sie in kitschfreie, bitter-süße Melodien. Ihre ausdrucksstarke Stimme reicht dabei von eindringlich über lieblich bis annähernd teilnahmslos.
"To Be Gone" beginnt schleppend mit absteigendem Bass und gezupfter Gitarre und entwickelt sich im Refrain zu einem fast leichtfüßigen Popsong. Wenn sie zwischendurch, nur vom Schlagzeug begleitet - ein wenig abwesend wirkend - die Zeilen "Leave the city/ Leave the cold" singt, erinnert sie stark an PJ Harvey.
Trotz aller Schönheit: Anna Ternheims Lieder sind weder seicht noch glatt. Das zeigen schon die unheimlich intensiven Texte, bei denen es sich immer lohnt, genauer hinzuhören. Allein das kraftvolle Bild der Zeile "He wore my heart like a crown" aus "A French Love" zeigt in einem Atemzug die ganze Verletzbarkeit einer Person auf und sagt so viel mehr als die bloße Summe der benutzen Wörter.
Musikalisch gibt es immer wieder gibt es Momente, in denen Ternheim innehält oder umschwenkt, etwas Unerwartetes tut. Die Musik folgt ihren Texten und umgekehrt. Je mehr die englisch-französischen Zeilen von "A French Love" in Verzweiflung abdriften, wird auch die Musik verquerer, mündet in einen verrückten Instrumentalteil mit allerlei Geräuschen, findet dann aber wieder in den Song zurück.
"Shoreline", eines der intensivsten Stücke, stammt nicht aus der Feder der Sängerin. Allerdings klingt ihre Version des Broder Daniel-Songs so. Nur von einem Klavier begleitet, steigt der Song langsam, nicht zuletzt durch den sanften Orgeleinsatz und Backgroundgesang von Andreas Dahlbäck, zu einem besonders anrührenden Stück Musik an, um dann ganz allmählich auszuklingen. "You die when you're young" - Gänsehaut. Repeat. Immer wieder.
Der würdige Abschluss dieses leider viel zu kurzen Albums. Ein Blick nach draußen, Rauch steigt aus den Schornsteinen auf, Raureif liegt auf den Hausdächern und Bäumen, die Sonne geht auf. Das ist genau die Zeit für "Somebody Outside". Also noch mal. Play.
30 Kommentare, davon 26 auf Unterseiten
So wunderschön. Oh mann.
vorgestern äußerst günstig in schweden erworben.
Du bist in Schweden zur Zeit?
hatte es mal erwähnt:
http://forum.laut.de/viewtopic.php?t=38049…
bin aber schon wieder zurück. kann die plattenläden dort übrigens nur empfehlen. entgegen meinen erwartungen vom preis her sehr ok und die auswahl ist meistens auch deutlich geschmackssicherer.