laut.de-Kritik
Schlendern durch Blues-Haine und über Gospel-Lichtungen.
Review von Artur SchulzDie "Wanderlust" packt Anne Haigis - und, wie es sich dafür gehört, mit viel Akustik im Gepäck. Der Weg führt über in unterschiedliches Licht getauchte Blues-Haine, Gospel-Lichtungen und Soul-Pfade. Schlendern ist angesagt auf diesem Album, laute Töne oder vorlaut treibendes Schlagzeug finden nicht statt. Wie gewohnt beweist die Sängerin hierzulande selten anzutreffende Klasse, amerikanisches Sound-Terrain überzeugend zu beackern.
"Wanderlust" präsentiert einen Mix aus brandneuen Titeln und einigen Coversongs. Rund und harmonisch zeigt sich Anne im Zusammenspiel mit ihren Musikern. Jan Laacks sorgt für die dominierenden Stimmungsbilder an der Gitarre, Mani Neumann, Jörg Hamers, Roman Metzner und Jens Filser beweisen sich als ausdrucksstarke Mitstreiter für Gitarre, Piano, Geige und Percussion. Als Inspiration dienten vornehmlich Eindrücke der Prärie von Colorado, deren Weite und Ferne Haigis bei einem dortigen Auftritt zutiefst faszinierten.
Zu "Life Is Wonderful" schlendert man mit Wanderklampfe die Wegesränder der Lebenserkenntnis entlang. "Something To Talk About" macht mit quirliger Akustikgitarre etwas mehr Tempo. Auf "Out Of The Rain" erkundet die Künstlerin mit viel Schwarz in der Stimme die Ecken und Nischen des Gospel. Die "Tennessee Tears" fallen auf Country getränkten Boden.
Anne brilliert hier als intensive, lebenserfahrene Song-Saloon-Barkeeperin, die über Widrigkeiten des Lebens genug erfahren hat. Mit dem "Picture Of The Buffalo" im Gepäck zieht es sie dann hinaus, weiter über die Prärie. "A Long Time Ago" variiert ein weiteres Mal nachdenkliche Betrachtungen, hier mittels einer behutsam ausgearbeiteten Tony Carey-Komposition über die Zeiten von Flower-Power und Vietnamkrieg.
Eindringlich gerät "Caught In The Eye Of A Storm", bei dem eine im Hintergrund aufblitzende E-Gitarre stimmige Akzente setzt. Das "Kokomo Medley" lädt mit Fingerpicking ein zum beschwingten Frühlingsspaziergang. Einen Song singt Anne auf Deutsch: "Ich Geb Dir Mein Herz" gerät nicht nur durch seine punktgenaue Blues-Intonation glaubwürdig.
Gelungenes Schmankerl zum Abschluss: Tom Waits' Klassiker "Tom Traubert's Blues" erfährt in der Bearbeitung von Anne Haigis eine willkommene Auffrischung, ohne den Song dabei nun revolutionär umzumodeln. Das ist ohnehin nicht Haigis' Anliegen, doch reiht sich ihre Version bestens ein in eine schon stattliche Riege von Vorgängern.
"Wanderlust" gestaltet sich gerade durch sein nahezu durchweg akustisches Outfit als Nischenalbum, bei dem sich die Fans sicher gut aufgehoben fühlen. Zuviel Pomp und Firlefanz ist Haigis' Sache nicht. Doch für manch Zuhörer mag diese freiwillige Selbstbeschränkung schon etwas zu viel Zurückgenommenheit bedeuten.
So untadelig sich der Sound darstellt, schlendert die "Wanderlust" da und dort vielleicht ein wenig zu unspektakulär über die Wiesen. Doch das mag der Preis dafür sein, lieber einer "Paper Aeroplane" im Wind zuzuschauen, anstatt donnernde Triebwerke zu zünden.
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