laut.de-Kritik

Schöne Erinnerung an schon zu Lebzeiten vergessene Postrock-Helden.

Review von

Eigentlich haben Appliance zu ihren Lebzeiten nichts falsch gemacht. Sie ergatterten einen Deal bei Mute Records, spielten hervorragende Alben ein und dann fiel auch noch die dank Herbert Grönemeyer medial hoch beachtete Re-Issue-Serie der ersten drei Neu!-Alben in die Zeit ihrer Existenz. Was Appliance zuträglich hätte sein können, darf man die deutschen Krautrock-Pioniere doch als Soundpaten der Briten bezeichnen.

Stattdessen war Ende 2003 nach drei Alben und zahllosen EPs Schluss. Man habe alles erreicht, hieß es damals witzigerweise. Alles veröffentlicht hatte man nach heutigem Kenntnisstand jedoch bei weitem nicht, weshalb nun mit "Re-Conditioned" eine 3-CD-Box vorliegt, die alle BBC Peel Sessions von Appliance, einen Haufen B-Seiten und frühe EPs beinhaltet.

In einer Zeit, in der das Überleben der Plattenindustrie maßgeblich an Künstlern wie Lady Gaga oder Justin Bieber hängt, mutet die bloße Idee fast schon skurril an, eine aufwendige Stoffsammlung einer kaum bekannten Band auf drei CDs zu pressen.

Das sieht wohl auch Schlagwerker David Ireland so, wenn er nun sagt: "Dies ist ein riesiges Kompliment für die Gruppe. Das Album bringt eine Menge kreativer Momente zusammen, die kaum ein Appliance-Fan kennen dürfte. Die dritte CD hätte zum Beispiel auch unser Debüt werden können." Hinter dem mutigen Unterfangen steckt mit RROOPP ein Label, das sich auf ausführliche Zusammenstellungen von, naja, Experimental-Indie-Bands konzentriert. Oder wie man Combos wie Amp und Yellow6 bezeichnen möchte.

Warum das Postrock-Trio aus Exeter schnell zu Lieblingen des legendären John Peel wurde, legen im Prinzip tatsächlich alle CDs offen. Appliance erschaffen bzw. erschufen rhythmisch und melodisch eine eigentümlich assoziative Kraft, die mal schleppend-sphärische ("Mountains 1"), mal hypnotisch-pulsierende ("A Little More Information") Muster entwickelt. Zuweilen gehen Songs auch urplötzlich in einen gefrorenen Aggregatzustand über ("Navigating The Nursery Slopes").

Die Trance-artigen, mit Loops oder sonstigen Frickeleien garnierten Klangcollagen der Band machen jedenfalls auch sieben Jahre nach deren Auflösung noch gehörigen Spaß, was einiges über die Qualität des Materials aussagt. Selbst wenn die Mitglieder von Appliance nicht klagen können, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, so waren sie letztlich doch nicht am richtigen Ort. Denn die Klasse von Genre-Kollegen wie Stereolab oder Tortoise hatten ihre Songs allemal.

Trackliste

CD1

  1. 1. Tuesday Is Nearly Over (BBC Peel Sessions)
  2. 2. Mountains 1 (BBC Peel Sessions)
  3. 3. As Far As I Can See (BBC Peel Sessions)
  4. 4. Violins (BBC Peel Sessions)
  5. 5. A Little More Information (BBC Peel Sessions)
  6. 6. Homing Devices (BBC Peel Sessions)
  7. 7. Navigating The Nursery Slopes (BBC Peel Sessions)
  8. 8. Comrades (In A Moscow Hotel) (BBC Peel Sessions)
  9. 9. Personal Stereo (BBC Peel Sessions)
  10. 10. Electra (BBC Peel Sessions)
  11. 11. Slow Roller (BBC Peel Sessions)
  12. 12. Fast Music (BBC Peel Sessions)
  13. 13. Pre-Rocket Science (BBC Peel Sessions)
  14. 14. Pacifica (BBC Peel Sessions)
  15. 15. Throwing A Curve Ball (BBC Peel Sessions)

CD2

  1. 1. West Waves
  2. 2. All The Words For Snow
  3. 3. Sleeping Machines
  4. 4. Bruises
  5. 5. Nocturnal Walker
  6. 6. Homing Devices
  7. 7. Milkrace
  8. 8. Loop The Loop
  9. 9. Return To Telemark
  10. 10. We Are Not Built To Last
  11. 11. Lalo
  12. 12. Spies Of Rota
  13. 13. Rev A
  14. 14. Outer
  15. 15. Weightless Conditions

CD3

  1. 1. Number Three Channel Is Clear
  2. 2. King Of The Flight Simulator
  3. 3. In The Event Of Just Looking
  4. 4. Ursa Major
  5. 5. For Tonight
  6. 6. Mach One
  7. 7. Slow Drive
  8. 8. We Are Not Stationary
  9. 9. This Is The Place
  10. 10. Ikb
  11. 11. Pleasure Driving
  12. 12. Open
  13. 13. Concentration To Brightness
  14. 14. Smoother

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