laut.de-Kritik
Schöne Erinnerung an schon zu Lebzeiten vergessene Postrock-Helden.
Review von Michael SchuhEigentlich haben Appliance zu ihren Lebzeiten nichts falsch gemacht. Sie ergatterten einen Deal bei Mute Records, spielten hervorragende Alben ein und dann fiel auch noch die dank Herbert Grönemeyer medial hoch beachtete Re-Issue-Serie der ersten drei Neu!-Alben in die Zeit ihrer Existenz. Was Appliance zuträglich hätte sein können, darf man die deutschen Krautrock-Pioniere doch als Soundpaten der Briten bezeichnen.
Stattdessen war Ende 2003 nach drei Alben und zahllosen EPs Schluss. Man habe alles erreicht, hieß es damals witzigerweise. Alles veröffentlicht hatte man nach heutigem Kenntnisstand jedoch bei weitem nicht, weshalb nun mit "Re-Conditioned" eine 3-CD-Box vorliegt, die alle BBC Peel Sessions von Appliance, einen Haufen B-Seiten und frühe EPs beinhaltet.
In einer Zeit, in der das Überleben der Plattenindustrie maßgeblich an Künstlern wie Lady Gaga oder Justin Bieber hängt, mutet die bloße Idee fast schon skurril an, eine aufwendige Stoffsammlung einer kaum bekannten Band auf drei CDs zu pressen.
Das sieht wohl auch Schlagwerker David Ireland so, wenn er nun sagt: "Dies ist ein riesiges Kompliment für die Gruppe. Das Album bringt eine Menge kreativer Momente zusammen, die kaum ein Appliance-Fan kennen dürfte. Die dritte CD hätte zum Beispiel auch unser Debüt werden können." Hinter dem mutigen Unterfangen steckt mit RROOPP ein Label, das sich auf ausführliche Zusammenstellungen von, naja, Experimental-Indie-Bands konzentriert. Oder wie man Combos wie Amp und Yellow6 bezeichnen möchte.
Warum das Postrock-Trio aus Exeter schnell zu Lieblingen des legendären John Peel wurde, legen im Prinzip tatsächlich alle CDs offen. Appliance erschaffen bzw. erschufen rhythmisch und melodisch eine eigentümlich assoziative Kraft, die mal schleppend-sphärische ("Mountains 1"), mal hypnotisch-pulsierende ("A Little More Information") Muster entwickelt. Zuweilen gehen Songs auch urplötzlich in einen gefrorenen Aggregatzustand über ("Navigating The Nursery Slopes").
Die Trance-artigen, mit Loops oder sonstigen Frickeleien garnierten Klangcollagen der Band machen jedenfalls auch sieben Jahre nach deren Auflösung noch gehörigen Spaß, was einiges über die Qualität des Materials aussagt. Selbst wenn die Mitglieder von Appliance nicht klagen können, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, so waren sie letztlich doch nicht am richtigen Ort. Denn die Klasse von Genre-Kollegen wie Stereolab oder Tortoise hatten ihre Songs allemal.
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