laut.de-Kritik
Das Instragram-Leben geht weiter.
Review von Rinko HeidrichMit gerade einmal 24 Jahren stand Pop-Sängerin Ariana Grande im Mittelpunkt einer großen Tragödie. Der Terror-Anschlag bei ihrem Manchester-Konzert im letzten Jahr riss junge Fans in den Tod. Und wenn die Sängerin erzählt, dass sie das immer noch sehr beschäftigt, darf man das ohne Zynismus glauben.
"Sweetener", das erste Album nach dem traurigen Ereignis, beginnt mit purem Gesang, ohne weiteren Begleitung oder Arrangement: "When raindrops fell, down from the sky / The day you left me,an angel cried / Oh, she cried, an angel cried / She cried" - die Interpretation bleibt offen. Ist es ein profaner Trennungssong oder doch ein Bezug zu dem Ereignis vom letzten Jahr, der in "Raindrops (An Angel Cried)" besungen wird? In beiden Fällen wäre das kurze und wenig aufregende Intro nicht nötig gewesen.
Das Instragram-Leben geht jedenfalls weiter. Winke, Winke, Lächeln und ein Selfie posten, dann noch kurz an das Krankenbett der immer noch an den Folgen des Anschlags leidenden Opfer und weiter zum nächsten Termin. 125 Mio Abonnenten warten schließlich auf ein paar nette Songs, die man auf dem Schlafzimmer-Bett hören kann, während man Ariana als beste Freundin imaginiert.
Pharrell Williams, der seit ein paar Jahren wieder vereinzelt Hits wie Happy liefert, hat bei der Produktion die 90er als Inspiration genommen. Gerade Aaliyah, die den R'n'B dieser Ära mit prägte, schimmert immer wieder durch, und was die Gesangsleistung angeht, ist Ariana Grande von Aaliyah gar nicht so weit entfernt. Damals war es Timbaland, der aus einem jungen Talent einen respektierten Weltstar formte. Missy Elliot, seine kongeniale Partnerin aus dieser Zeit, stellt sich für den Rap-Part auf "Borderline" zur Verfügung. Textlich ist wenig anspruchsvoll ("Wish you'd chew on me like fresh grapes"), aber ein Lebenszeichen von Missy ist für jeden Hip Hop-Fan eine Freude.
Die Lyrics zu "Borderline", in denen sich Ariana einem Dreamboy mit "You know I'm the wifey type, babe" anpreist, stehen leider im krassen Gegensatz zu der feministischen Aussage von der Single "God Is A Woman". Es dauert eben doch noch etwas bis zur persönlichen Reife und Unabhängigkeit, die solch eine große Aussage auch stützen und Feminismus nicht nur als verkaufsförderndes Trendprodukt benutzen.
Halbnacktes Räkeln in einem Nicki Minaj-Video sendet ebenfalls zweifelhafte Signale. Der lauten, selbsternannten Queen of Rap gebührt die Ehre des zweiten Features ("The Light Is Coming"). Leider klaut einfach Pharrell bei sich selber und kocht noch einmal seinen alten Kelis-Hit "Milkshake" auf.
Alle paar Jahre haut das Neptunes-Mitglied einen Welthit raus, aktuell scheint wieder eine Pause im kreativen Flow zu sein. Die genialen Momente wie "Rock Your Body" oder "Drop Like It's Hot" sucht man vergeblich. Experimente standen sicherlich nicht auf der Agenda des Produzenten-Teams, trotzdem kann der wabernde Synthie-Moll-Sound in "Success" nicht das neue Limit für den einstigen Großmeister sein. Es ist ihm aber abzurechnen, dass "Sweetener" nicht so zuckrig klingt, wie der liebliche Albumtitel vermuten lässt. Die zarte Stimme von Ariana erstickt in keinem Mega-Bombast, sondern bekommt einfach ein paar Drum-Patterns und eine prägnante, oder fieser ausgedrückt, monotone Synthesizer-Linie.
Ein großer Hit ist nicht dabei, als wollte der "Happy"-Produzent seinen Schützling nach dem Manchester-Trauma nicht zu sehr fordern. Der verletzlichen, fast introvertierten Stimmung - unterlegt durch Kleinschreibung der Tracknamen - tut das keinen Abbruch, wohl aber der Spannung. Das schläfrige "Better Off" und die Schmachtballade "Pete Davidson" ziehen allzu luftig vorbei, als ob keiner der Beteiligten wirklich mit den Gedanken bei der Sache sei. So läuft das Album unspektakulär mit "Get Well Soon" aus und schenkt sich am Ende erschöpft im Track-Outro eine Minute komplette Ruhe. Die hätte man der sicherlich talentierten jungen Frau auch geben können, aber das Showbiz geht weiter. Wie kann das bloß ein Mensch ertragen.
9 Kommentare mit 13 Antworten
keine Erwähnung von Max Martin... oder "No Tears Left To Cry"? Na ja, was soll's. Aus meiner Sicht gab es noch keinen großen Wurf auf Albenlänge bei Ariana. Insofern alles wie immer.
Voll edgy, das Cover!
Mal eine Frage an die Musikexperten. Seit ich No tears left to fall das erste mal gehört hab quält mich die Gewissheit die Melodie des Refrains irgendwo schon mal gehört zu haben. Weiß jemand mehr?
Geht mir auch so. Muss immer an "More" von Usher denken.
Verdammt, das könnte es sogar fast sein, jetzt wo du es sagst. Zumindest für den ersten Part. Aber auch der Melodiewechsel bei "...ain´t got no tear left to cry" kommt mir bekannt vor und der passt bei Usher nicht rein.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Monaten durch den Autor entfernt.
Finde die Platte total langweilig. Die beiden davor hatten wenigstens eine gewisse Hitdichte und plätscherten nicht so fade vor sich hin. Die Lead-Single war halt gut.
Sweetener ist ein solides Album meiner Meinung nach "Raindrops (an angel cried) hat mich bei jedem Hören mitgenommen genau so wie die Single "No tears left to cry" allerdings finde ich das viele Songs von dem Album gefühlt gleich klingen "R.E.M", "The light is Coming", "Blazed" trotzdem ist es ein Solides Album was von mir 7/10 Punkte bekommt