laut.de-Kritik
Großer Wurf, der das Zeug zum Klassiker hat.
Review von Ulf KubankeMit dem kolossalen Chartbuster "The Reckoning" hat Asaf Avidan sich bereits vor Jahren eine beachtliche Fanschar in Deutschland ersungen. Mit den folgenden Alben plus einer Acoustic-Show eroberte er daraufhin Europas Süden und New Yorker Hipster. Und im nahen Osten ist der sensible Folkrocker ohnehin ein Superstar. Mit dem "Gold Shadow" schmeißt er der Welt nunmehr sein Meisterstück auf den Grill.
Sein androgyner Gesang klingt noch immer gelegentlich, als sei er der stimmliche Sohn von Tiny Tim und Pavlov's Dog. Mehr denn je schneidet er sich dazu ein Scheibchen großer Diven ab. Von Etta James borgt er sich die stimmliche Leidenschaft des in Liebesdingen gebrannten Kindes ("Over My Head","A Part Of This). Bei Shirley Bassey entlehnt er die ausladende Geste ("My Tunnels Are Long and Dark These Days").
Das ist nur eine der zahllosen Facetten, die der Groove-Verrückte anlegt wie einen Patronengürtel. Zu wundervollem Text serviert er großartige Hymnen wie "Ode To My Thalamus", die genau jenen Drama-Drive haben, den man sich bei Marc Almond seit dessen Meisterwerk "Mother Fist" stets wünscht. So sammelt Avidan lässig jede stilistische Zielgruppe ein, die ihm vors Mikro kommt.
Asaf rockt - trotz sparsamer Instrumentierung - so gut wie jede Party. Eine Nummer wie "The Jail That Sets You Free" füllt jeden Dancefloor im Nu. Allein die knochentrockene Hook ist aller Ehren wert. Mit dem dem herrlich zerklüftet angeschlagenen "Bang Bang" schießt er dann nebenbei einen dermaßen sahnigen Blues aus der Hüfte. Man möchte ihn sofort Eric Clapton für dessen "Crossroads"-Reihe ans Herz legen.
Den Zenith emotionaler Ausdruckskraft erreicht der "Gold Shadow" in seinen melancholischen Momenten. Der "The Labyrinth Song" oder "Fair Haired Traveller" etwa haben lyrisch wie musikalisch Leonard Cohen Niveau. "I killed the beast./ That part of me is dead./Can it be that all our Heroes have a path but not a plant,oh Ariadne?"
Spätestens im nahezu schmerzhaften Tränenzieher "Gold Shadow" kommt er dann auch noch dort an, wo Waits seine Whiskey getränkten Balladen gern lagert. Die besondere Stimmfarbe Avidans erinnert ein wenig und sehr angenehm an die Ästhetik von Antony Hegarty. Zur Krönung entpuppt sich das Titelstück dann auch noch als sinistre Mordballade. Damit wäre dann auch der Cave-Sack ordentlich zugebunden.
So spricht Asaf Avidan nicht nur die musikalische Sprache der Giganten. Er ist schlichtweg einer von ihnen. "Gold Shadow" ist ein großer Wurf, der das Zeug zum Klassiker hat. "I know all the stories!" Kann man wohl sagen!
8 Kommentare mit 12 Antworten
Hihihihihi, Golden Shower! Daran hätte auch Siegmund Freud seine Freude gehabt.
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Absolut ein Meisterwerk. Reckoning war schon eine Offenbarung aber das hier schlägt es noch mal kräftig. Seine Stimme ist Blues. Am 9.März seh ich ihn zum 3ten Mal live und er ist dann noch besser. Mundpropaganda ist immer noch die beste.
Ähnlich Paolo Nutini, ähnlich emotional, gefällt sofort.
Meine Güte... Ich weiß es ist absolute Geschmackssache, aber findet niemand sonst, dass der Typ das unausstehlichste und nervenzerfetzendste Organ der Gegenwart besitzt? Die Songs an sich mögen noch angehen, aber sobald der Gesang einsetzt ist für mich Schluss, es geht nicht. Das ist wahlweise ein Frosch auf Dope oder Heintje in den ersten Tagen seines Stimmbruchs. Beide jedenfalls frisch erwacht nach einer fies durchzechten Nacht.
Normalerweise bin ich es immer, der von allen Seiten hochgelobte Bands wegen ihrer Sänger scheiße findet, aber das hier kann ich mir verdächtig gut geben.
Vielleicht auch, weil ich anfangs dachte, da singt eine ältere schwarze Frau.
Witzig, den Effekt kenn ich in meinem musikaffinen Umfeld nur anders herum...
Hab vor 8 Jahren oder so dem Lebensgefährten meiner Mtter (auch vom Geburtsjahr her ein Progger der ersten Stunde) mal die ersten beiden Mars Volta-Scheiben ohne weitere Ansage mitgegeben. Zwei Wochen später spricht er von den Alben als "musikalische Epiphanie!" und kommt aus Lobhudeleien bzgl. der krassen, so extravertiert klingenden Sängerin nicht mehr heraus.
Ich so: "Du meinst Cedric?! Das ist ein Typ...". Er: "Waaas? Ekelhaft! Das hat mir die Phantasie völlig versaut! Die Alben kann ich nie wieder ohne schaudern hören..."
Haha, es ist immer die ältere schwarze Frau. Ging mir genauso damals beim zweiten Album von Plan B
Hört sich verdammt gut an. Ich stimme auch zu, dass es recht lustig ist, den Sänger in einem Musikvideo zu sehen, da ich ohne video auch geglaubt hätte, es wäre eine farbige Soulsängerin am Werke. Die 5-Punkte-Kubanke-Meilenstein-of-Manking sind jedoch wie immer mit Vorsicht zu betrachten. Nur kurzfristig konnte ich bisher immer Ulfs Meinung teilen, während über einen längeren Zeitraum die 5er Alben nie die Euphorie halten konnten.
*Mankind of course
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
die meisten rezis entstehen ja auch genau so kurzfristig und spiegeln die jeweils spontane zu- oder abneigung, cat
Ja, ich kann mir vorstellen, dass der Zeitdruck durch die Redaktion eine Rolle spielt. Immerhin würde ich den meisten der 5-Punkte-Kubanke-Meilenstein-of-Mankind Alben 4 Punkte rückblickend ohne Bedenken geben... außer Lulu natürlich!
"Meilenstein of mankind" finde ich gut
Ich geh mit den 5 Punkten locker mit, das Album haut mich glatt aus den Moonboots und das, wo der Stil eigentlich gar nicht so meine Ecke ist, oder gerade deswegen.