laut.de-Kritik
Verliere dich in der Postapokalypse.
Review von Anastasia HartleibWas für ein Brett! Anders lässt sich einfach nicht betiteln, was Ashnikko da mit ihrem zweiten Album in die Welt geschleudert hat. "Weedkiller" entreißt seine Hörenden der Realität und setzt sie ab in einer postapokalyptischen Szenerie, neben der jede Ego-Shooter-Verfilmung alt aussieht - und vor der es kein Entkommen gibt. Oder wie Ashnikko sagen würde: "Let it consume you".
Es fällt absolut nicht schwer, sich von "Weedkiller" vereinnahmen zu lassen. Dafür erscheint die Welt, die die US-amerikanische Rapper*in/Sänger*in da erschaffen hat, einfach viel zu faszinierend. Bereits "World Eater", der Opener, baut eine vollumfängliche Atmosphäre auf. Ein überbordender Synth-Sound - irgendwo zwischen Trap, Electro-Pop und den düsteren Abgründen des Nu Metal - trifft auf abgefahrene Sprachbilder und catchy Melodien.
Ashnikko präsentiert sich "sweet like antifreezer" und lässt die Opener-Sequenz vor dem inneren Auge ablaufen, mit dem sie ihren Film startet: "These machines will kiss my bullets / hit the gas pedal, scrap metal / combat mode, you know the cyborg's comin'". Die Rapper*in nimmt uns mit in ihre "Post-metallic rebellion", wo "only the wickedest survive".
Und so geht es munter weiter hinein in die post-zivilisatorischen Wastelands von "Weedkiller". "You Make Me Sick" besetzt die Rolle des Antagonisten mit einem "Chad" (bevor ihr googelt: Ein äußerst männlich erscheinender Mann, Typ Highschool-Quarterback mit vielen Muskeln, wenigen Hirnwindungen und noch weniger Ahnung von der weiblichen Anatomie), der Ashnikkos Leben in den Tumult gestürzt hat. "You fuck up my life, then you say 'my bad'" - und es besteht absolut kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Emotion, wenn sie "I'm mad" mit der Inbrunst einer besessenen Emily Rose in unsere Gehörgänge schreit.
Noch bevor man sich auch schon allzu tief in der Wut Ashnikkos verliert, brennt sich mit "Worms" ein absoluter Überhit ins Ohr und treibt die Handlung voran. Für den musikalischen Unterbau bekommt die Melodie von Palaye Royales "Little Bastards" ein paar Santigold-eske Vibes und versprüht die Lässigkeit, die sonst nur tragische Heldenfiguren innehaben. Dazu säuselt Ashnikko ganz unberührt ihre Hook, die sich augenblicklich ins Gedächtnis ihrer Hörer*innen frisst. "The world is burnin', I got worms in my brains / gonna bleach my eyebrows, change my name". Dazu kommen fast greifbare Sprachbilder wie "I'm riding through the desert with a sword on my back / I'm in a What-the-fuck-Monster Truck / wanna go fast" oder "Brand new day, got a brand new grin / got a colony of ants underneath my skin / my bones decay, now I'm gelatine".
Wohl gemerkt - "Worms" ist erst der dritte Song auf "Weedkiller", und man befindet sich bereits mitten drin in dieser detailreichen Welt, die Ashnikko hier entwirft. Ihre Reise führt sie zu einem mörderischen "Cheerleader" und macht sie zu einer "Chokehold Cherry Python". "Menacing figures fall from the sky / symbols and sigils, I saw the signs / rats in the sewers, dead on the mind / I've set my eyes on you baby, you're mine." Sie will ihrem Endgegner unbedingt gegenüber treten, das macht sie auch auf dem titelgebenden Song noch einmal deutlich: "I've made knives out of broken ribs / I will be the one to eliminate you."
Doch auf ihrer Suche nach Vergeltung trifft Ashnikko auf ein überirdisches Wesen; eine Frau, die ihr Zuwendung schenkt und mit ihrer "Moonlight Magic" einen Weg abseits der Rache zeigt. Man kann Ashnikko förmlich dabei zusehen, wie der Zauber von ganz offensichtlich wahnsinnig gutem und gefühlvollem Sex sie umhüllt und ihr ihre Menschlichkeit zurück gibt.
Die Menschlichkeit, die Ashnikko als Protagonistin ihres eigenen Films zurück erlangt, bringt eine neue Komponente mit sich, die einen tiefgreifenden Schlusspunkt dieser Erzählung setzt: Verletzlichkeit. "Possession Of A Weapon", sehr weltlich inspiriert durch die Verzweiflung, die Ashnikkos Erschaffer*in Ashley Nicole Casey nach dem erneuten Abtreibungsverbot in den USA fühlte, fasst auch die Trauer ihrer Protagonistin in treffende Worte: "I feel an ache where my mind was / I try to think but it's no use / tumbleweed, bloody knees / I would crawl through broken glass to get home."
Ashnikko erkennt, wie sie sich in ihrer eigenen Wut verrannt hat - und wünscht sich nun nichts sehnlicher, als heimzukehren. Oder wie sie es selbst in ihrem abschließenden Song "Dying Star" sagt: "The ground reaches out to catch me / softly in her baseball mitt / I'm tired of the dirt and grit / I want something soft."
"Weedkiller" überzeugt mit seiner wahnsinnig greifbaren Atmosphäre. Wäre dieses Album ein Film, er würde sich irgendwo einreihen zwischen "Mad Max", "Constantine", "Prinzessin Mononoke" und "The Last Of Us". Ashnikko bietet mächtige Bilder, die mit einer passenden musikalischen Untermalung daherkommen - und auch nach dem dritten Hören nichts von ihrer Faszination einbüßen. "Weedkiller" ist dystopische Unterhaltung auf höchstem Niveau.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Wirklich gar nicht so verkehrt. Pop mit Skills.
Willkommene Positivität; ich selbst hatte schon meine Meinung zum Vorgänger revidieren müssen. Und ja, auch dieses Album hier ist wirklich gut!
Das Wort "Ego-shooter-Verfilmung" macht mich krank! Insbesondere, wenn man dann im letzten Absatz wieder den Filmvergleich rausholt und da gar keine dabei ist.
Sehr gutes Album!
Indeed
Ist das die Anime-Villain Version von Doja Cat?