laut.de-Kritik
Dieses Album bedarf einer Stimmungs-Anweisung.
Review von Vicky ButscherDieses Album bedarf einer Gebrauchsanweisung. Oder viel mehr einer Stimmungs-Anweisung. Denn es wirkt einfach am besten, wenn du dich verletzt oder todtraurig - am besten beides auf einmal - fühlst. Nur dann findest du in der Musik Verständnis. Sie tröstet dich, du bist nicht mehr alleine ... Dafür aber noch trauriger. Diese gedrückte Stimmung ist der Schlüssel, den es braucht, um Eintritt in die lieblich-verstört-melancholische Welt von Athlete zu erlangen.
Wahrscheinlich meinen Athlete mit "Tourist", dass du dir auf der Welt leicht wie ein Tourist vorkommen kannst, wenn du deine Umwelt einfach nicht verstehst. Oder diese dich nicht. Da fangen dich die getragenen Klavierlinien, die pathetischen Streicher und die melancholische, raue Stimme von Joel Pott auf. Mit Netz und doppeltem Boden.
Die Lyrics pendeln zwischen heimelig und chancenreich ("We find ourselves, in a familiar part of town") auf der positiven Seite und Aufgabe und Hoffnungslosigkeit ("I'm nowhere without you" oder "Someone better hit the alarm") auf der anderen, depressiv-negativen Seite. Erstaunlich, wie nah diese beiden Extreme beieinander liegen - wie in deinem Leben eben. Und natürlich ist auch bei Athlete das allumklammernde Oberthema die Liebe.
Und doch sind Athlete keine düsteren Schwarzmaler. Zumindest nicht ausschließlich. Stücke wie "Half Light", "Modern Mafia" oder "Yesterday Threw Everything At Me" darf man getrost ob ihrer Geschwindigkeit und Power bzw. ihrer - zumindest musikalischen - positiven Grundstimmung beschwingt nennen. Gott sei Dank verzichten Athlete nicht auf diese Facetten - das Album klänge ohne diese Ausreißer doch zu eintönig.
Es kann sich jedoch auch genau der gegenteilige Effekt darstellen, platzt "Tourist" in die falsche Stimmung. Bist du gerade nicht mal im Ansatz traurig, fühlst du dich wie ein fideles Marsmännchen inmitten depressiver, aussortierter Roboter. Die Stimmung mutet in dem Fall in etwa so an, wie zwischen den aussortierten Robotern in "Artificial Intelligence". Alles scheint gedrückt und lahm. Dieses Album baut komplett auf die Stimmung des Hörers. Und die sollte mindestens pathetisch, besser noch melancholisch sein. Wehe, es erwischt dich auf dem falschen Fuß.
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