laut.de-Kritik
Das Songwriter-Camp hat leider Burnout.
Review von Yannik GölzWenn man sich das No-Budget-Video zu "Wet, Hot American Video" anguckt, kann einem nur ein Gedanke kommen: Das Ava Max-Experiment ist vorbei. Es ist gescheitert. Majors haben eine Weile einen Haufen Geld investiert. Aber der Pitch 'hey, all die Popstars sind so ernst und persönlich geworden, hier ist eine 2011-Lady Gaga-Pastiche' hat nicht so sehr gefruchtet, wie man es sich erhofft hat.
Vielleicht wurde das Nostalgiefenster hierfür um ein paar Jahre verfehlt, vielleicht waren die Songs langfristig einfach nicht gut genug. Aber obwohl Ava Max mit aller Trickkiste der Interpolation und des Nostalgie-Baits neben dem One-Hit-Wonder von "Sweet But Psycho" immerhin ein paar Hits vorlegte, ist dieses Album spürbar ihr Abgesang. "Don't Click Play" erschöpft ihren Hits-or-else-Ansatz zu Popmusik, weil Ava Max trotz des flammenden Bedürfnisses, berühmt zu sein, jenseits ihres albernen Haarschnittes nie auch nur ein Fünkchen Persönlichkeit hatte.
Dabei versucht der eröffnende Titeltrack, sich genau daran. Ja, "Don't Click That" ist ein klassischer Popstar-Move, ein direkter Adressat an die vielen eigenen Kontroversen. Also, Ava, wie nimmst du den Kritikern den Wind aus den Segeln? Sie singt: "On X, that's a real hot topic of conversation / She's a sample, singing, Gaga imitation / But can't Kings & Queens look good with Poker Faces? / But I'm loving myself, even if you hate it / If you didn't come to move, oh baby / If you didn't come to dance / DJ, don't click that".
Hey, immerhin hatte jetzt jemand mal einen echten Grund, Ava Max-Lyrics zu zitieren! Leider wirkt ihre Verteidigung nicht gerade überzeugend. 'Ja, vielleicht bin ich ein Lady Gaga-Klon und lebe nur von faulen Samples, aber könnt ihr nicht einfach mal Spaß habe?' wäre wohl irgendwo der richtige Ansatz. Leider gibt es ein Problem: "Don't Click That" macht keinen Spaß. Egal, wie sehr man es versucht.
Ich habe mein ganzes Leben noch kein so anonymes Album gehört. Das Projekt dauert dreißig Minuten, könnte aber genauso gut 90 oder 10 Minuten andauern. Der generisch-europäische Synthpop fließt gleichförmig dahin, als hätte jemand einen Hahn aufgedreht.
Habt ihr schon einmal diese seltsamen, Spotify-generierten Playlists gehört? So etwas wie "Relaxing Piano" oder "Ambient Chill". Für solche Playlists werden ihr Leben hassende Session-Musiker für Ghost-Artist-Verträge mit schlechten Konditionen gezwungen, die immer gleichen Moll-Akkorde mit dem gleichen Echo und dem gleichen Aufbau ad infinitum zu spielen. "Don't Play That" klingt wie so etwas, nur eben für generischen Recession Pop-Ära Club-Shit. Es ist der Auswurf eines Songwriter-Camps mit Burnout.
Was nicht heißen soll, dass die Songs schlecht klingen. Es klingt alles absolut okay. Es ist nur geradezu unmöglich, die einzelnen Tracks irgendwo zu greifen. Alles klingt vage so, als hätte man es schon einmal gehört, alles soll vage an bessere und effektivere Artists erinnern. Aber "Take My Call", "Catch My Breath" oder "Lost Your Faith" fühlen sich an wie Fotokopien ihrer selbst. Es ist ambitionslos abgefertigtes Songwriting-Regelwerk, auf dem Ava Max dann jedes Mal diese Möchtegern-Diven-Performances abliefert, als hätte sie vor, für Albanien Platz 21 beim ESC zu erreichen.
Das Bizarre ist ja, dass Ava zwar kein bisschen Charisma aufbaut, aber trotzdem irgendwie nicht als reine Vocal-Performance in den Hintergrund treten kann. Sie muss immer noch die ganze Zeit pseudo-inspirierende Plattitüden darüber an den Start bringen, dass sie sich selbst liebt. Es wird auf Tracks wie "Sucks To Be My Ex" und "World's Tiniest Violin" auch mächtig mit den Memes von vorgestern gegirlbosst. Die einzig ulkige Stelle ist tatsächlich "Wet, Hot, American Summer", der gerne ein wilder, amerikanischer 4. Juli-Banger sein möchte. Leider klingt der ganze Song so fake und europäisch, das man sich fast einbilden möchte, Ava wäre eine Schwedin, die kein Englisch kann, auch, wenn sie in Wisconsin geboren wurde. Das Gesamtprodukt klingt, als hätten die Rednex nach "Cotton Eye Joe" und "Spirit Of The Hawk" noch ein Stück amerikanische Folklore anvisiert.
Ava Max ist auf "Don't Click Play" die Retorten-Version von Dua Lipa, nur leider mit nur 20% derer Stärken und 500% derer Schwächen. Es ist ein ganzes Album voller Tracks, die für "Radical Optimism" zu bland gewesen wären, durchgewürfelt mit ein paar Mal "Good In Bed". Um rein sonisch als Pop aufregend und überzeugend geraten, wie es oft K-Pop tut, der ja auch nicht gerade große Persönlichkeit in den Vordergrund rückt, sind die Songs musikalisch zu homogen und texturell zu uninteressant. Dieses Album wirkt schon so, als wolle es Ava Max als diesen großen, magnetischen Popstar behandeln, dessen Wort und Geschichte Gewicht hat.
Leider hat Ava Max keine Geschichte und auch kaum etwas zu sagen. Sie ist ein leerer Platzhalter von einem Popstar, dessen beste Chance auf einen weiteren Hit es ist, wenn David Guetta Mitleid mit ihr hat, kurz bevor er den nächsten Neunziger-Gassenhauer unwürdig aufleben lässt. Vielleicht singt sie ja bald den Refrain von, was weiß ich, "Freestyler" oder "One Sweet Day", vielleicht für Guetta, vielleicht gar für sich selbst und mogelt sich so noch mal in die Charts. Aber dieses Album zeigt, dass sie all diese Taschenspielertricks zwar ins Radio und in die Charts bringen konnten, aber einer musikalischen Identität oder einem richtigen Stamm an Fans ist sie damit keinen Schritt näher gekommen. Bleibt nur den offensichtlichen Joke zu machen und zu bestätigen, dass der Albumtitel tatsächlich guter Rat ist.
3 Kommentare
Immerhin: Den Titel kann man beherzigen.
Geiles Album! Bester Pop-Dance.
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