laut.de-Kritik
Metal-Oper auf Klassenfahrt. Im Gepäck: Speed-Metal-Kracher, Mini-Epen und kommerzielle Hardrocker.
Review von Yan VogelDie Geschichte Avantasias liest sich wie ein Märchen. Ein junger Musiker schart Ende der Neunziger seine Idole um sich und nimmt in der Folgezeit fünf Alben auf, die im Metal-Sektor allesamt zu den meistbeachteten Veröffentlichungen der letzten zehn Jahre gehören.
Sicherlich kommt Tobias Sammet auch die Prominenz der Musiker zugute, um mit Jørn Lande, Michael Kiske, Jon Oliva oder Alice Cooper nur einige Namen zu nennen. Doch letztlich bürgt der nebenbei noch als Edguy-Fronter in Erscheinung tretende Tausendsassa für sauber produzierte, Ohrwurm-affine Stromgitarrenmucke, die aufgrund ihrer stilistischen Breite und der aufgefahrenen Sänger-Riege begeistert.
Was bei der Veröffentlichung des dritten Albums "The Scarecrow" noch niemand für möglich hielt, wurde im Sommer 2008 freudige Realität. Sammet verlieh dem eigentlich nur als Studioprojekt geplanten Avantasia-Konzept gemeinsam mit einem bunt gescheckten Tourtross Flügel. Ausgehend von der Schweiz führte die Reise nach Schweden, und von dort über Moskau, Tokio, Mexico City, Buenos Aires, Santiago de Chile und Sao Paulo zurück nach Europa.
Durchaus vergleichbar mit dem Mammut-Programm, das Iron Maiden auf ihrer letzten DVD dokumentierten, bekommt der heißhungrige Fans, dessen Lefzen nach der Tour Ende 2010 noch gehörig Speichelfluss durchlassen dürften, einen audiovisuellen Nachschlag. Das dürfte für viele Fans der Wermutstropfen sein, denn die beiden 2010 erschienenen Alben "The Wicked Symphony" und "Angel Of Babylon" dienen ausschließlich als Jingle-Untermalung der Menüleisten. Das Konzert setzt sich aus den Headliner-Shows auf dem Wacken Open Air und beim tschechischen Master Of Rock-Festival zusammen, beides Festivals aus dem Jahre 2008.
Vergleichbar mit einer Oper wirkt vor allem das stetig wechselnde Sängerbild belebend. Ob dies nun die gestisch untermalten Storyteller-Vocals von Bob Catley, die cleane Power-Röhre eines André Matos (der die in der Studioversion von Michi Kiske eingesungen Passagen übernimmt) oder die charismatischen, affektvoll umgesetzten Voices eines Jørn Lande sind: Immer klingt die Auswahl homogen, nie aufgesetzt, und Tobias Sammet entfacht in jeder Sekunde Begeisterung. Sowieso muss man seiner Leistung Respekt zollen. Der 33-Jährige gönnt sich keine Pause. Mit einer Performance der Extraklasse führt er durch das zweistündige Konzert.
Speed-Metal-Kracher ("Reach Out For The Light", "Shelter From The Rain"), Mini-Epen ("The Scarecrow") oder kommerzielle Hardrocker ("Lost In Space", "The Story Ain't Over") zeigen die Variabilität des Programms. Der Singalong-Faktor ist immens. In Verbindung mit der schieren Bildgewaltigkeit von 85.000 Fans auf dem Wacken kommt Gänsehaut pur auf. Die Leistung der Musiker ist tadellos. Kleinere Fehler wie verpasste Einsätze wurden beibehalten, was um so authentischer wirkt. Der Sound ist klar und druckvoll. Die Bildauswahl wirkt nie hektisch und korrespondiert mit dem klanglichen Geschehen.
Auf der zweiten Disk gewährt uns Tobias Sammet einen Blick hinter die Kulissen. Neben einigen amüsanten Backstage-Szenen, in denen es jedoch immer sehr gesittet zugeht und die eher den Charme einer Klassenfahrt der Unterstufe Mainz-Gonsenheim versprühen, stehen Genese und das Aufblühen von Avantasia im Vordergrund. Wirklich Neues findet man als Fan zwar nicht, aber in dieser Zusammenstellung wird einem klar, wie groß der organisatorische Aufwand war, der nötig war, um dieses Projekt zu stemmen und live auf die Bühne zu bringen.
2 Kommentare
welcher vollidiot hat bei den videos nur filmtrailer hingetan
Schön eine Power-Metal Review ohne die Worte "Kitsch", "Lala-Refrain", "Mainstream", "Kastratengesang", etc zu lesen!