laut.de-Kritik
Anneke van Giersbergen und Floor Jansen sind die Stars des Abends.
Review von Yan VogelWenn Arjen Lucassen ruft, tanzt die Metalszene an - wie sonst höchstens bei Tobias Sammet. Dessen Avantasia-Tross mausert sich in den vergangenen acht Jahren zu einem wahren Exportschlager auf den Bühnen großer Festivals. Der vom Lampenfieber geplagte Lucassen bringt es in einem vergleichbaren Rahmen nur auf eine handvoll Auftritte mit Ayreon.
Diese vor Qualität nur so berstenden Events - wie die Aufführung von "The Human Equation" - stellen allerdings ein Highlight sondergleichen dar. Da der Holländer keine halben Sachen auf die Bühne bringt, ist nach der Ankündigung dreier Best Of-Shows für September 2017 klar, dass jeden Anwesenden ein Spektakel erwarten wird. Die Tickets für dieses Event sind entsprechend innerhalb einer Stunde vergriffen. Allen, die in die Röhre schauen, wird nun Abhilfe geschaffen. Scheinbar ticken die Uhren in Holland anders. Entsprechend der Anything Goes-Konzepte im Großformat muss Lucassen einen DeLorean besitzen. Knapp ein halbes Jahr nach dem Vorhang der letzten Show wuchtet der Endfünfziger bereits die Nachlese in die Läden.
In zweieinhalb Stunden ein ganzes Universum an kreativer Konzeptkunst unterzubringen, zeugt von großem Sportsgeist. Die stilistisch teilweise sehr unterschiedlichen Alben vom Debüt "The Final Experiment" über den Durchbruch "Into The Electric Castle", der "Universal Migrator"-Story bis hin zu "The Source" bekommen ihren Platz in der Setlist. Auch die beiden Star One-Alben finden Berücksichtigung.
Klar gleicht Lucassen mit seinem musikalischen Leiter Jost van den Broek einige Arrangements an und strafft die teilweise überlangen Stücke auf ihre Essenz. Das fällt bei diesem Format jedoch nicht negativ ins Gewicht, da die Quantität der dargebotenen Songs nicht zu Lasten der Qualität geht und ein richtiger Querschnitt von vornherein der Anspruch ist. Lucassen selbst steht bei den Songs "The Castle Hall" und "Amazing Flight In Space" auf der Bühne sowie dem abschließenden Schlusschor von "The Eye Of Ra" und richtet vor den Zugaben ein paar warme Worte ans Auditorium.
Gemeinsam mit seinem Partner in Crime van den Broek, der auch schon für die Realisierung von "Theater Equation" verantwortlich zeichnete, stellt Lucassen eine Band zusammen, die sämtlichen internationalen Ansprüchen genügt. Ed Warby am Schlagzeug, van den Broek an Keys und Synths sowie Meistergitarrero Marcel Coenen brillieren ohne Unterlass.
Dazu gesellt sich die Prominenz der Metal-Szene, wobei nicht jeder Zeitplan eine Teilnahme erlaubt hat. Wie gerne hätte man Bruce Dickinson "Into The Black Hole" intonieren hören, wobei Kamelot-Sänger Tommy Karevik seine Sache mehr als ordentlich erledigt. Über Hansi Kürsch (Blind Guardian), Jonas Renkse (Katatonia) oder Marco Hietala (Nightwish) groß Worte zu verlieren, würde den hiesigen Rahmen sprengen. Damian Wilson liefert eine beeindruckende Vorstellung ab und man kann gespannt sein, wohin dessen Reise nach dem letztjährigen Ausstieg bei Threshold hinführt. Mike Mills von Toehider schlüpft wie schon auf dem letzten Studio-Release in die Rolle des Androiden TH1 und führt als Moderator und natürlich stimmgewaltiger Sänger (dieses FALSETT!) durchs Programm.
Die eigentlichen Stars des Abends sind die Frauen. Mit Anneke van Giersbergen (VUUR, The Gentle Storm) und Floor Jansen (Nightwish) verzaubern zwei der prägenden Figuren des Rock/Metal-Zirkus das Auditorium und ziehen sämtliche Register ihres Könnens von fragil bis dominant. Die Power-Röhre von Maggy Luyten steckt bei ihren Parts die meisten männlichen Screamer locker in die Tasche. Mit dem Backround-Chor aus Irene Jansen, Marcela Bovio und Lisette van den Berg sitzt und passt jedes Vocal-Arrangement. Ein musikalisches Theater, das gerne eine Tradition erlangen kann wie der grüne Hügel für Wagners Opern.
Im Vergleich zu Bild und Ton bei "Theater Equation" legt Lucassen bei "Ayreon Universe" noch eine Schippe drauf. Die brillante Lightshow und die Visuals werden gekonnt ins Bild umgesetzt. Im Mix erklingt jedes instrumentale Detail sehr gut lokalisierbar. Gerade die Parts mit Geige oder Flöte gehen trotz der Masse an Musikern nicht unter.
Workaholic Lucassen sind die Anstrengungen der letzten Monate in der Vorbereitung der Shows ins Gesicht geschrieben. Nach Genuss dieses Events kann man nur konstatieren, dass sich jede Träne und jeder Tropfen Schweiß, der in diesem Projekt steckt, gelohnt hat.
4 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Bei der Review lassen sich die (nur) 4 Sterne wirklich nur mit einer generellen Ablehnung von Live-DVDs erklären.
hörenswert? noch nie von diesem Künstler was gehört