laut.de-Kritik
Melancholischer Elektronik-Folk aus dem Weilheim Amerikas.
Review von Daniel StraubIn den mittleren Westen der USA, wo sich die Great Plains von Horizont zu Horizont erstrecken, und die endlose Weite den Menschen eine ruhige Gelassenheit einimpft, haben die beiden Damen von Azure Ray soeben ihren Wohnsitz hinverlegt. Nicht New York oder Seattle, sondern Omaha/Nebraska, so behaupten einflussreiche Auguren standhaft, besitze das Potenzial, sich zum neuen Nabel der Alternativeszene auszuwachsen. Anlass zu solchen Prognosen geben die Releases der Saddle Creek Label-Familie. Die zwölf balladesken Electrofolk-Tracks von "Hold On Love" bilden den jüngsten Trieb des Stammbaums und nehmen mit ihrer sanften Melancholie auf Anhieb gefangen.
Wer sich die wunderschönen Songs in Ruhe angehört hat, wird zugeben müssen, dass "Hold On Love" den Wahrsagern genug neues Futter für ihre verheißungsvollen Blicke in die Zukunft bereit hält. Alleine schon der oftmals zweistimmige, von sanfter Entrücktheit getragene Gesang Orenda Finks und Maria Taylors verzückt das Ohr, nimmt einen für die Band ein, noch bevor der letzte Ton des ersten Songs verklingt. Zugegeben, meine Leidenschaft für Bands wie The Cranes oder Dead Can Dance macht mich zu einem einschlägig Vorbelasteten, der sich den traurigen Blüten von Azure Ray gerne ergibt.
Gerade für nebelverhangene Herbsttage hält "Hold On Love" den perfekten Soundtrack bereit. Aus ihren Songs spricht der Geist des 'american gothic', einer Kunstrichtung, die den existentiellen Ängsten ihre Schwere nimmt und dabei das Dunkle ins Ästhetische zu übersteigern weiß. So verbreiten die Vergänglichkeit besingende Songs wie "The Drinks we Drank Last Night" nichts von hoffnungsloser Tristesse. Akustische Gitarren, zarte Klavierakkorde gepaart mit vorsichtig eingesetzten elektronischen Effekten und den lieblichen Stimmen von Azure Ray verleihen den Songs auf "Hold On Love" eine warme Leichtigkeit, die sich voll von Emotion und Leidenschaft zeigt, ähnlich den Weilheim-Produktionen, die aus den Weiten Bayerns zu uns kommen.
Genau wie Console und Konsorten taugen auch Azure Ray und die Bands von Saddle Creek nicht unbedingt für den großen Hype à la Seattle. Passender scheint da schon der Vergleich mit den Weilheimern. Omaha funktioniert genau wie Weilheim als musikalisches Kleinod, das Bands den Raum gibt, sich zu originellen Acts auszuwachsen. Der Crossover in den Mainstream ist dabei nur ein Nebeneffekt.
Wer die beiden Damen von Azure Ray auf der Bühne erleben möchte, bekommt auf ihrer Deutschlandtournee Ende Oktober dazu die Gelegenheit. Ein Termin, den es sich vorzumerken gilt.
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