laut.de-Kritik
Swing when you're ... rapping?
Review von Dani FrommWenn B-Tight in den letzten Jahren eins bewiesen hat, dann ja wohl, dass er zu jeder Zeit genau das tut, worauf er gerade Bock hat. Ein Rock-Album: Check. Zurück zu den Rap-Wurzeln: Check. Die eigene Vergangenheit und danach noch die alte Crew aufwärmen: Double-Check, check. Wie das ankommt: scheißegal. Die Tatsache, dass Bobby sichtlich einen Heidenspaß an dem Retro-Film hat, den er jeweils gerade fährt, konnte selbst der griesgrämigste Kritiker nicht leugnen.
Jetzt also: ein Rap-Album auf Swing-Beats. Im Stil der wilden Zwanziger. Klingt nach einer völlig bescheuerten Idee. "Wir machen unser Ding, vielleicht haben wir den übelsten Schaden", scheint sich B-Tight selbst nicht ganz sicher. Fest steht jedoch: "Was Echtes" hat er da mitgebracht, und trotz des auf dem angelaufenen Silbertablett präsentierten Konzepts "nichts Aufgesetztes".
Die Umsetzung liefert trotzdem reichlich Ansatzpunkte für zünftige Nörgelorgien. Kollege Yannik Gölz hat es anlässlich des Videos zu "Schüsse In Die Luft" gut auf den Punkt gebracht: "Es wäre alles viel einfacher, wenn man (...) das Gefühl loswerden könnte, B-Tight spiele da gerade mit seinen acht Kumpels in einer Berliner Spelunke Kostümparty mit einer Stripperin. Es ist zu drollig, um ernst zu sein, und zu ernst, um drollig zu sein."
Stimmt schon, irgendwie. Die Videos in Sepia-Optik, die Klamotten, die ganze Aufmachung, als hielten Gamaschen-Colombo und Zahnstocher-Charlie im "Hinterzimmer" irgendeiner Kaschemme ein Treffen der Freunde der italienischen Oper ab ... das kann man wohl kaum ernst nehmen.
Das Schöne: B-Tight selbst nimmt es auch nicht zu einhundert Prozent ernst. Entsprechende Vorwürfe dürfte er also einfach aus der Welt grinsen. Gleiches passiert vermutlich, versuchte man, ihm anzukreiden, dass die vier Cheater-Demos starke Bonus-CD mehr musikalische Abwechslung birgt als die 16 Tracks davor. Der sympathische Knallkopf bemüht wiederholt Witzeleien vom Herrenabend. Leider nicht nur bei "Abschütteln", "Länge Ist Egal" und "Männer", wo es die Titel schon befürchten lassen.
Bobby könnte dem entgegenhalten, er habe darüber hinaus durchaus noch mehr zu sagen. Etwa, wenn er in "Papas In Crime" zusammen mit zwei weiteren rappenden Vätern, mit Shizoe und Smoky, über den schmalen Grat zwischen aufrechtem Atzentum und Vorbildfunktion balanciert. Oder wenn er in "Mein Glaube", diesmal mit molliger Klavierbegleitung zur Bläsereskorte, darüber philosophiert, was ihn antreibt und am Leben hält. Wer oder was das am Ende tatsächlich ist, eine bestimmte Person oder Gott, lässt er angenehm interpretationsoffen. Ja, persönliche Themen. Trotzdem halt genau die, die schon hundertfach abgehandelt worden sind.
"Crazy Sexy Cool" flirtet mit TLC, tanzt tatsächlich jedoch viel ausgiebiger "Mambo No. 5" mit Lou Bega. Die Instrumentierung mit Kontrabass, Posaunen und Trompeten groovt zwar wie Sau, kommt einem spätestens nach dem vierten solchen Track aber so vor, als habe man B-Tight zum Mic tatsächlich nur "1 Beat" gegeben. (Respektive hat er sich den genommen: Die Produktionen verantwortet er auch diesmal wieder allesamt selbst.)
"Ich könnte Schlager machen und wär' mehr Hip Hop als ihr", kanzelt er, "ein echter MC, den keiner verbiegt", die Kollegenschaft ab. Stimmt wohl, wenngleich er mit seiner einen, inzwischen allerdings höllisch routinierten Vortragsweise nicht gerade ein Paradebeispiel für Flow-Variantenreichtum liefert.
An all diesen Punkten könnte man sich aufhängen, "Aggroswing" sezieren und als bemühten und dann noch überstrapazierten Witz schmähen. So man denn unbedingt wollte. Ich will aber nicht - weil das Ding schlicht unanständig viel Spaß macht. Die Freude, die dem Urheber sein eigener Schabernack bereitet, steckt an. Sie hüpft aus jeder Zeile, wirft sich in Schale, Marke geschniegelter Ganoven-Chic, und tanzt Lindy-Hop auf deiner schlechten Laune. "Darf ick bitten?" Na, jewiss doch!
3 Kommentare mit 5 Antworten
"Länge Ist Egal" dürfte sicherlich zur Hymne des den ein oder anderen Stammusern hier avancieren.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
"...des den ein oder anderen Stammusern..."
was genau studierst du noch mal?
musste ich auch gerade denken!
Wenn jemand so häufig sein Germanistik Studium in seine Kommentare einbauen muss sollte so etwas nicht passieren!
Andererseits ist Alkoholmissbrauch in Pädagogenkreisen hinlänglich bekannt. War also nur eine Frage der Zeit.
Rechtfertigst du jetzt etwa deine Dummheit mit Alkoholkonsum?
rhymin simon!!!! maddafukkin RHYMIN SIMON!!!!!111 ansonsten interessiert mich das feature mit came. den finde ich gerade im doitsch-rap, neben twin und ein paar anderen, am spannensden
Muss sagen, ich fand den Part von Dr. Simon Michaelis ("mao hatte Recht" ) auf Orgis Album recht enttäuschend, werde mir den hier aber natürlich auch reinziehen.
Nach Retro drohte es redundant zu werden. Willkommene Abwechslung, ein Swingausflug wäre bei Eisieisheisserscheiss deutlich peinlicher ausgefallen.