laut.de-Kritik
"Im Schatten einer unglaublichen Dunkelheit."
Review von Paula Fetzer"The Last Rotation Of Earth" entsteht aus einem Tiefpunkt in Brian Christinzios Leben: Während der Arbeit am neuen Langspieler trennen er und seine Verlobte sich nach neun gemeinsamen Jahren. Daraufhin verwirft er 95% des Materials, das er bislang gesammelt hat, und setzt sich mit neuem Blickwinkel ans Werk. Zwei Monate später ist das neue B.C. Camplight-Album da, "das im Schatten einer unglaublichen Dunkelheit entstanden ist. Eine, aus der der Schöpfer nicht vorhatte zu entkommen, und auch heute nicht vorhat", so der Singer/Songwriter.
Wie schon auf vorherigen Alben verbindet er gekonnt Humor und Tragik. Das zeigt er nicht zuletzt auf "The Movie", das er passend zum Titel in drei Szenen aufteilt. "Ich wollte, dass die Lieder an kleine Filme erinnern", sagt er über die LP, und macht das auf diesem Track klar. Zum Anfang jeder Szene liest er aus einem fiktionalen Drehbuch vor, das die Handlung des Songs vorgibt. Darin erinnert er sich an vergangene Erlebnisse mit seiner Verlobten: "Scene one, we see a man in his 40s / He's sat at the kitchen, dressed in a kermit the frog onesie (places people) / He's staring into a photograph in which he and she laugh / In front of the Portuguese sunset". Der Schmerz, der schon in diesen ersten Zeilen durchscheint, mündet in einen Streit, den er mit einer Frau austrägt. Die Dramatik spitzt sich zeitgleich mit den dissonanten Klängen der Bläser zu. Erstmals stimmen die Texte und Stimmung überein. Von den harmonischen, mit Klavier unterlegten Strophen bleibt nichts übrig.
"It Never Rains In Manchester" macht die Ironie schon mit seinem Titel klar. Ein sanfter Track, Keyboard, Schlagzeug und Christinzio selbst bewegen sich behutsam im Takt. Die Harmonie macht den Hörer stutzig, doch sobald der "Just like you'll never break my..."-Teil einbricht, den er mit verzerrter Gitarre, sich überlagernden Bläsern und seiner in tiefste Lage versetzte Stimme belädt, ergibt alles wieder Sinn.
"Kicking Up A Fuss" kommt mit einer heiteren Melodie, trötendem Synthesizer und der mit viel Hall versetzten Stimme unbeschwert daher, doch die Texte über einen Mann auf dem Dach eines Hotels lassen den Hörer nicht lange in der Illusion einer heilen Welt. Mit simplem Ausfaden des Songs reißt die Geschichte jedoch einfach ab, einen zufriedenstellenden Abschluss bekommt man nicht.
Was Christinzio am Ende von "Kicking Up A Fuss" einspart, packt er in "She's Gone Cold". An den Anfang stellt er ein pompöses Bläser-Trio, in den Strophen wagt er mit der Kombination aus etlichen Instrumenten und Rhythmen zu viel. Besonders die gelegentlich einsetzende Drum Machine irritiert. Das Zusammenspiel der Instrumente funktioniert im Refrain dafür schon wieder viel besser.
Das Highlight der Platte ist "Fear: Life In A Dozen Years", das mit seinen Synths, dem Saxophon und dem ergänzenden Hintergrundgesang direkt aus den 80ern stammen könnte - wäre da nur nicht die plötzlich einsetzende E-Gitarre, die den bisherigen Aufbau durchbricht und auflockert. Ein weiteres Mal ändert sich die Stimmung mit dem melancholischen Klavierstück "Going Out On A Low Note". Ironischerweise singt er den Titel in der höchsten Stimmlage, am Ende kommt er schließlich doch am tiefsten Punkt an.
Einen nächsten Gegensatz präsentiert er auf "I'm Ugly". "I'm a disaster, I'm the Hindenburg / I'd show my ugly face if I had the nerve" singt er auf fröhlichste Weise und bringt den Hörer zum Schmunzeln, dabei ist man spätestens zu diesem Zeitpunkt an die Diskrepanz zwischen Sound und Text gewöhnt. Wenig überraschend ist ebenso die wirre Instrumentalpassage, an die sich ein kurzer Dialog anschließt.
Christinzio hat ein Händchen dafür, persönliche Krisen humoristisch aufzubereiten und an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Sein Hang zur Verbindung verschiedenster Instrumente artet jedoch an gewissen Punkten zu sehr aus und strengt an. Wenn es aber funktioniert, dann richtig, wie insbesondere "Fear: Life In A Dozen Years" eindrücklich beweist.
1 Kommentar
She's Gone Cold ist schon ein highlight.