laut.de-Kritik
Noir-Drama und quirky Indie-Rock, stets mit drei Perspektiven.
Review von Ben SchiwekManchmal ist ein 5-Sterne-Wertungssystem einschränkend. Sich bei einer Platte wie "Some Like It Hot" zwischen drei und vier Sternen zu entscheiden fällt mir sauschwer, denn: Es ist ein Album, an dem es so viele kleine und große Dinge gibt, die man bemängeln kann, und bei dem ich jeden enttäuschten Fan, der mir erklärt, warum das Album nicht funktioniere, verstehen könnte. Und doch macht es mich sehr glücklich.
Dafür muss ich erstmal erklären, was Bar Italia, eine der spannendsten aktuellen Gitarrenbands, so besonders macht. Eigentlich sammelt das Londoner Trio viele Sachen, die in der alternativen Rock-Musik schon da waren: Shoegaze, Slacker Rock, Post-Punk etc. Aber Bar Italia gehen sie mit so einem wunderbaren Gespür für Stimmung, für den richtigen Grad an Dissonanz und für die geschmackvolle Mischung all dieser gesammelten Stile an. Ein obendrein einzigartiges Feature der Band ist die Abwechslung zwischen den Gesangsparts aller drei gleichberechtigten Mitglieder, die sich durch ihre unterschiedlichen Stimmqualitäten innerhalb eines Songs ergänzen. So lieferte das Trio etwa mit "Tracey Denim" 2023 eines der besten Alben des Jahres ab, voller immersiver dunkler Ästhetik, packender Gefühle und Ohrwürmer.
Was macht "Some Like It Hot" nun mit den bisherigen Qualitäten der Band? Ihre Vielstiligkeit wird hier noch erweitert. Es geht etwas weniger shoegazeig zu, dafür kommen neue Einflüsse wie peppiger 2000er-Indie-Rock und Dance-Punk à la The Strokes oder Bloc Party hinzu. Das wirkt mal toll, mal deplatziert. Manche Stücke sind wiederum filmischer, dramatischer, leicht überzogen, wie der streicherbesetzte Noir-Walzer "Bad Reputation" oder die Western-Ballade "Plastered".
Auf dem neuen Album betonen Bar Italia ihr kollaboratives Songwriting noch mehr, auf jedem Track singt jedes Mitglied mal. Diese Abwechslung macht das Ganze ziemlich spaßig, manches aber etwas ausufernd und weniger prägnant. "Cowbella" und "Rooster" sind catchy, aber müssen sie rund fünf Minuten gehen? Auf "Tracey Denim" waren manche Songs kürzer und von einem Mitglied dominiert, während die anderen Sänger:innen nur kleine Einwürfe beisteuerten, dadurch hatten die Songs einen eindeutigeren Vibe. Das geht hier teilweise verloren.
"Fundraiser" startet die Platte aber direkt mit dem besten Song, einem Beispiel davon, wie magisch die Trio-Dynamik der Band funktionieren kann. Zwar werden hier auch nur einzelne Teile aneinander gehängt und abgewechselt, aber jeder dieser Teile ist ein Ohrwurm, und in der Summe fließt das großartig. Nicht alle Tracks hier sind so melodisch einprägsam, Stimmung und das Spiel mit Kontrasten beherrschen Bar Italia dennoch. "The Lady Vanishes" bewegt sich mysteriös in Slowmo, sticht irgendwann das Messer in den Rücken und zieht es dramatisch heraus – großes Kino. "Marble Arch" klingt erstmal unerwartet luftig und bouncy, nimmt uns dann aber mit der grauen Atmosphäre ein: "Rain in London town [...] / Leave your heart on the ground and let the rain wash it down".
Manches auf "Some Like It Hot" verursacht Stirnrunzeln und nicht jeder Song zündet. Die Ästhetik und Stimmung des Albums sind weniger subtil als die Vorgänger, machen in ihrer Vielseitigkeit aber Spaß. Am Ende des Tages überzeugt vieles, was Bar Italia so gut können, hier immer noch. Ob die großartigen Momente das Chaos des Albums wieder wettmachen, ist Geschmacksfrage. Wer – wie ich persönlich – den Bar-Italia-Stil liebt, kommt auf seine Kosten und freut sich, jedes Mal etwas Neues im Album zu entdecken.
Noch keine Kommentare