laut.de-Kritik

Der selbe neue alte Hengzt, nochmal, nur anders.

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Eins sagt Bass Sultan Hengzt auf seinem neuen Album mehr als alles Andere: Er ist immer noch der gleiche geblieben. Das ist so etwas wie die Kernthese, der Imperativ, unter den Segeln und der ist so bezeichnend, weil er offensichtlich so unwahr ist: Kaum ein Rapper hat über seine Karriere so viele Neuerfindungen durchgemacht wie BSH, der von Rock über Pop bis nostalgischem Aggro-Revival im letzten Jahr durch Tapes stolperte wie durch saisonale Mode. Schwer zu sagen also, wer der alte BSH genau ist, sicher ist nur, dass "Ketten Raus, Kragen Hoch" im ersten Moment absolut nicht nach ihm klingt. Sein neuer Labelchef kredenzt ihm nicht nur Features, sondern gleich auch Produzenten, Genre und Vibe. Ja, musikalisch ist das alles hier ein Fler-Album. Und so unauthentisch sich Hengzt im ersten Moment als Vollzeit-Trapper anfühlt, hilft ihm der Freundschaftsdienst doch spürbar aus: Wo er jetzt musikalisch wieder fest in einem Sattel sitzt, kommt er atmosphärisch seinem Peak so nah wie schon lange nicht mehr.

Ignorieren wir einfach mal, dass die Produktion vielleicht nicht die Natürlichste für ihn ist, immerhin muss man ihm zugutehalten, dass er nicht wie Fler versucht, sehr krampfhaft Pattern und stimmliche Ideen aus Übersee zu importieren und sie dann grobmotorisch ins Deutsche zu übersetzen. Und preiset den Herren, dass wir hier kein Album haben, in dem Bass Sultan Hengzt versucht, wie Gunna zu klingen. Grundsätzlich macht "Ketten Raus, Kragen Hoch" zwei Dinge goldrichtig: Zum einen nutzt er den Sound nur als Staffelei für seine eigene Persönlichkeit. Zum Anderen: Sie haben das Album sehr kurz gehalten.

Arg viel länger hätte die ganze Idee nämlich wohl nicht getragen. Es gibt Momente, in denen Hengzt sich überraschend solide an die Beats anpasst, eingängige Hooks rappt und eine Menge Energie auf den Tisch legt. "Southside Boy" geht stabil nach vorne, auch der Intro "Italian Stallion" klingt hungrig, seine raue Stimme und sein natürliches Timbre übersetzt sich an diesen Stellen überraschend gut in Trapmusik. Er erinnert an einen Key Glock oder einen Moneybagg Yo, die eine ähnlich desinteressierte OG-Persona benutzen. Auch die Adlibs stimmen, das klingt alles souverän.

Leider funktioniert das nicht immer, genauer gesagt funktioniert es fast nur dann, wenn BSH sich nicht zu sehr anstrengt, bemüht nach Trap zu klingen. "Flip Das Cash" rappt etwas zu ambitionierte und stressige Pattern. "Lost Boy" und "Crush" wollen atmosphärisch und melancholisch klingen. Zwei Eigenschaften, die Hengzt einfach nicht zu nahe liegen. "Gangsta's Paradise" macht den offensichtlichsten und unkreativsten Flip einer sehr melodramatischen Version des Coolio-Songs. Aber auch sonst gibt es Nummern, die höchstens im stabilen Mittelfeld bleiben: "Kinack" und "Ghettomillionär" ranken sich um Hooks, die einfach nicht eingängig genug sind, um einen Track alleine zu tragen. Die Songs gehen nicht hart genug, um ein Banger zu sein, kommen aber auch nicht sehr atmosphärisch rüber.

Das liegt auch am Inhalt. Die guten Momente, sie schimmern durch, zum Beispiel an Stellen wie "Ich bin nicht Oldschooler, ich bin nicht Newschooler / Ich bin Hauptschüler, du scheiß YouTuber". Aber meine Fresse, dieses Album kommt textlich die meiste Zeit nicht aus dem Quark. Häuser für Mutti, falsche Freunde, teure Uhren, die keine Zeit kaufen, es gibt kaum eine Gangster-Rap-Phrase, die am Ende dieser dreißig Minuten Album ungedroschen bleibt. Richtig belastend wird sein Lovesong-Versuch "Crush", der eine Frau mit Zeilen wie "Du bist wie Dunkin' Donuts, Babe, ich kann nicht widersteh'n / Denn deine Kurven wie ein Benzer - muss ich tiefer legen" umwirbt. Wer schmilzt da nicht dahin? Witzig, dass der einzige Song, der inhaltlich überzeugt, die nostalgische DJ Ilan-Kollabo "Monster Im Schrank" ist, in der sich Hengzt mit rührender Ernsthaftigkeit an seine Kinder wendet. Das klingt nochmal natürlicher, zuckersüß und fundamental anders als der Rest des Albums.

"Ketten Raus, Kragen Hoch" hätte noch besser laufen können, aber vielleicht muss man erst einmal respektieren, dass es nicht sehr viel schlechter ausgefallen ist. Hengzt hat einen soliden Weg gefunden, seine alte Aura und Art über Trap-Produktion aus Flers Camp wiederzubeleben. In manchen Momenten kommen deswegen die besten Facetten beider Stile zum tragen, dann gibt es noch ein paar Momente, in denen die Produktion von Simes einfach so brutal vor sich hin rumpelt, das sie jeden Rapper getragen hätte. Die besten Songs hier liefern also einen Blueprint dafür, wie es mit Hengzt weitergehen könnte, der Rest klingt nach Work in Progress. Was bleibt, ist ein hörbares, aber über große Strecken nicht wahnsinnig einschlägiges Album, das musikalisch kompetent agiert, sich aber viel zu sehr auf Phrasen und Klischees verlässt.

Trackliste

  1. 1. Italian Stallion
  2. 2. Boyz In The Hood
  3. 3. Ghettomillionär
  4. 4. Southside Boy
  5. 5. Kinack Aus Dem Ghetto
  6. 6. Lost Boy
  7. 7. Crush
  8. 8. Monster Im Schrank
  9. 9. Krieg
  10. 10. Flip Das Cash
  11. 11. Gangstas Paradise
  12. 12. Legendär
  13. 13. Kriminologie

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