laut.de-Kritik
Leicht verdauliche Gedanken an die schwer verdauliche Zukunft.
Review von Magnus FranzPop-Musik und Zukunftsvorstellungen, zwei Welten, die scheinbar nicht voneinander lassen können. Dass diese Symbiose dabei nicht immer den universalen Geschmack aller HörerInnen trifft, wurde spätestens Ende letzten Jahres deutlich: Mit horrendem Gefühl im Bauch kreisen die Gedanken noch immer um die Massenkarambolage, als die sich Coldplays weltraumthematisches "Music Of The Spheres" erwies.
Mit dem Vierergespann Bastille entlädt nun auch eine weitere große Pop-Gruppe im Rahmen ihres vierten Albums "Give Me The Future" eine Vielfalt an Gedanken zu Themen wie Zukunft, Technologie, dem Dasein der Menschheit und allem, was dazugehört. Während die Vorgängerplatte "Doom Days" noch um irdische Luxusprobleme wie die Höhen und Tiefen einer wilden Partynacht kreiste, heißt es nun also volle Kraft voraus in die unendlichen Weiten der unvorhersehbaren Zukunft.
Als genauso unvorhersehbar wie die Zukunft, entpuppt sich allerdings auch der Inhalt des neuen Projekts der Briten. Es gleicht einer bunt gemischten Wundertüte mit einem weiten Spektrum an qualitativen Unterschieden. Dabei lernt man gleich zu Beginn den Boden des Spektrums kennen, nachdem der Opener "Distorted Light Beam" kontinuierlich mysteriöse Spannung aufbaut, nur um ein ums andere Mal in ernüchternden und inspirationslosen Electro-Pop-Refrains zu enden. Auch "Plug In..." verspielt einige Zeit später alle Sympathien, wenn Smiths Rapversuch mit einem orchestralen Beat fusioniert, vor dem selbst Schiller zurückschrecken würde. So geht auch der Spaß an den Teils sehr bissigen Kommentaren unter: "Billionaires, rocket to Mars / Stuck on Earth drinking in drivеrless cars / Icecaps'll fall, Cali'll burn / Willful denial until it's my turn / Bunch of old whitе men who don't give a fuck / Are we having fun yet?"
Das groovelastige und eingängige "Thelma + Louise", das als Anlehnung an Ridley Scotts gleichnamigen Roadmovie-Thriller nur eine von vielen popkulturellen Referenzen im Rahmen des Albums darstellt, spielt im Gegensatz dazu wiederum in einer ganz anderen Liga und überzeugt sowohl musikalisch als auch lyrisch mit einer bittersüßen Note. Ordentlich funky und tanzauffordernd präsentiert sich mit "Back To The Future" auch die nächste Filmhommage. Disco-Drums, gewaltige Bläser- und Streichernuancen, eine umtriebige Bass-Line und dynamische Gitarren-Licks motivieren wie kein zweiter Song auf der LP, die pandemiegeschwächten, sofaliebenden Knochen mal wieder in Bewegung zu bringen.
"Club 57" und "Future Holds" sind in der Folge ebenfalls zwei Tracks, die im Kontext des Albums einige erfrischende Elemente einführen. Während "Club 57" mit verspielter Melodie und akustischer Aufmachung glänzt, sticht in "Future Holds" besonders der atmosphärische Gospel-Chor heraus, den die Londoner Sessions-Sängerin und Singer-Songwriterin Bim Amoako beisteuert.
Trotzdem erweist sich "No Bad Days" als unangefochtener Höhepunkt der Platte. Im Rahmen des vergleichsweisen minimalistischen Arrangements verpasst vor allem Smiths leidenschaftliche Performance dem Gedenken an seine verstorbene Tante eine emotionale Note, die es einem an so mancher Stelle ("But I ain't, That's you crying") eiskalt den Rücken hinunterlaufen lässt. Gleichzeitig sorgen verspielte Piano-Parts, die quirlige, zurückhaltende Synthlandschaft und der simple Electro-Beat für eine stimmige Untermalung eines derart persönlichen Themas. Überraschenderweise sind auch die vereinzelten, roboterartigen Stimmodulationen und Auto-Tune-Schnipsel keinesfalls fehl am Platz.
Obwohl "Give Me The Future" somit durchaus lyrische Tiefe beweist und natürlich die übliche Portion solider, mitreißender Pop-Songs liefert, versteckt sich unter dem Deckmantel des Zukunftkonzepts allerdings auch eine Fülle an Songs, die zwar keine Totalaussetzer sind, sich aber irgendwo im musikalischen Limbus bewegen, indem sie kaum Berührungspunkte offerieren oder Persönlichkeit nach außen tragen.
So schwirren besonders die beiden Ambient-Interludes wie Fillermaterial weitestgehend zwecklos durch die Tracklist. "Brave New World (Interlude)" mündet zwar immerhin in "Back To The Future" und erzeugt so einen geschmeidigen Übergang, bei "Total Dissociation (Interlude)" entfällt jedoch selbst dieser Effekt und so bleibt nichts weiter als eine nette Soundcollage zurück. Auch "Shut Off The Lights", "Stay Awake?" und der Titeltrack "Give Me The Future" bewegen sich hauptsächlich auf der Stelle und machen es einem schwer, eine emotionale Bindung in irgendeiner Art und Weise aufzubauen. In dieser Hinsicht schneidet selbst das reflektierte "Promises" als Gedicht und Gastbeitrag des Schauspielers und Rappers Riz Ahmed deutlich besser ab.
Zwar ist "Give Me The Future" letztendlich auch mit einer guten Portion Belanglosigkeit immer noch durchdachter, reifer und entschlossener als vorherige Projekte aus der Feder des Quartetts, die große Überraschung bleibt dennoch aus. Selbst mit den Gedanken, die sich Dan und Co. bei der Ausarbeitung und der Zusammenstellung ihres neusten Konzepts offensichtlich gemacht haben, machen aus "Give Me The Future" noch keine Scheibe, die aus der schier unendlichen Masse an Pop-Alben für Nebenbei herausragt.
2 Kommentare
Dafür die Alliterationen aufgeben? Schwach, Smith, schwach.
Es ist wirklich skurril, wozu dieses brilliante Hirn (Dan) fähig ist, der dann aber eine weiter Plastikplatte abliefert. Fans warten ewig und bekommen dann 32 Minuten, von denen 20 schon bekannt waren und drei neue Tracks sich als Interludes und Gelaber herausstellen. Dabei mag ich ihn doch mögen.