laut.de-Kritik

Hinterm Trap lauert der Schlagerteufel.

Review von

Bausa hat als Musiker interessant angefangen und dann das große Pech gehabt, einen Hit zu landen: Wir hofften auf den deutschen The Weeknd und bekamen "Was du Liebe nennst". Von dem Erfolg hat er sich künstlerisch nicht mehr wirklich erholt, beziehungsweise weiß der Teufel alias Warner jetzt, wie er diese Künstlerseele ausbeuten kann. Vor allem nach diesem unfassbar beknackten "Bin im Club, bin im Club, uga, uga"-Cover von "Stoff und Schnaps", nur ohne den lustigen Akzent, lagen meine Erwartungen im Hinblick auf "Fieber" irgendwo zwischen Scheißdreck und Vollkatastrophe. Doch soviel vorweg, es ist keins von beidem. Um so bedauerlicher, dass es leider auch kein gutes Album geworden ist.

Die Geschichte ist im Prinzip schnell erzählt: 'Ne EP hätte gereicht. Die ersten fünf Tracks plus "Lang Her" hätten eine unterhaltsame, in sich stimmige Veröffentlichung ergeben. Schon möglich, dass sich Bausa mit der ersten Single "Mary" relativ drastisch dem Schlager annähert, weil der Teufel ein zweites "Was du Liebe nennst" gefordert hat. Irgendwann nach dem dritten Hören löst sich der Hass, den man sich so fest vorgenommen hat, aber auf wie Cannabisdampf in einer lauen Sommernacht, weil das Ding einfach so schamlos catchy ist: Trapbeat plus verschwommene Gitarren gleich gute Laune, sorry, not sorry. Mag sein, dass die Ode ans Marihuana als Themenfeld erschöpfend, pardon, abgegrast ist, aber die Zeile "ich würde zu dir rudern, doch der Weg ist betoniert" ist grandios genug, um Bausa den "Kein Feuer, kein Wasser, kein Schnee, Baby"-Kalauer zu verzeihen.

Auch sonst schneit es dieser Tage recht kräftig in Bausas Berlin: "ein bisschen Schnee im Sommer" ist ziemlich unverschleiert der Treibstoff der "Nacht". Jener Song ist der einzige auf dem Album, auf dem Bausa das offensiv verstrahlte Partymonster raushängen lässt. Zwar immer noch massenkompatibel wie "Schwarz zu Blau" auf einem Trapbeat, aber das ist ja auch keine Beleidigung. Die Produktion ballert nach vorn, Bausa rastet am Mikrofon aus, davon hätte man sich im happy-hippy-trippie-trappy-Umfeld von "Fieber" mehr gewünscht.

Das ihm sein arger Hang zu chemischen Hausmittelchen irgendwo bewusst ist, belegt "Weiß noch nicht wie": "Es klappt irgendwie, besser später als nie, doch ich weiß noch nicht wie", Berlin zu verlassen, Veganer zu werden, aufzuhören, mit Yung Hurn zu chillen und sich vom Teufel in die Rolle von Deutschraps Florian Silbereisen drängen zu lassen. Aber Hölle, es macht eben auch verdammt viel Freude. Reezy und The Cratez untermalen das genau richtig mit einem verhallten Trapbeat zu knackigst gemischten Drums, das klingt wie Sonntag Mittags wach sein und sich einreden, dass streng genommen noch Samstag ist: Funktioniert wunderbar.

Vor die Afterhour hat Gott aber den Deep House gesetzt, hier in Form von "Guadalajara feat. Summer Cem". Ein verschwitzter, reduzierter Four-to-the-Floor-Beat samt stimmlich zurückgenommener Hook schafft wiederum musikalische Abwechslung auf dem Album, sanft abgeschmeckt mit gerade so viel Afrotrap, dass es nicht nervt. Und was reimt sich auf "Guadalajara"? Genau, "Taschen sind randvoll mit Para". In diesem lyrischen Kontext überrascht es etwas weniger, dass ausgerechnet Summer Cem den unterhaltsamsten Part der Platte abliefert. Der mit Abstand kompetenteste Rapper auf Farid Bangs Kasperletheater von einem Label bringt die Skills und die nötige Selbstironie mit, um Bausas heilige Kokserernsthaftigkeit auszugleichen: "Lauf in den Club mit Machete rein / Schnellfickerhose im Rocco-Siffredi-Style / wir tanzen zu 'Atemlos durch die Nacht' / heute wird mal wieder gnadenlos durchgemacht".

Die beiden Tracks für Mama und Papa, "Intro (Radio)" beziehungsweise "Lang Her", sind süß und wertvoll, weil ehrlich. Ein simples "Mama, ich bin im Radio" beziehungsweise "Ich hoffe ich werde ein Mann wie es mein Vater war" wirkt noch durch das an dieser Stelle extrem störende Autotune hindurch.

Der Rest vom Album ist Schrott. "Licht feat. Dardan" ist ein billigst reproduzierter "Changes"-Abklatsch samt Youtube-Beat-Piano, nur ohne Tupacs Charisma und Elton Johns Stimme, "Fieber" eine Sünde in Achtziger-Disco-Form, und bei "Liebeslieder" würde es endgültig keinen Unterschied mehr machen, wenn das Silbereisen selbst singt. Wer auch immer da Ghostwriter war, er oder sie hat nicht verstanden, was man aus dieser einzigartigen Stimme herausholen könnte.

Genau so ersaufen "Blauer Himmel", "Regen", "Deine Augen" komplett ab im Kitsch, und ohne die zeitgeistigen Effekte auf den Beats hätte das auch Ralph Siegel nicht viel schamloser hinbekommen. Bei "Bundesland" weiß man nicht so genau, ob sich eine Frau jetzt dadurch geschmeichelt fühlen soll, dass ihr Bausa systematisch "in jeder Stadt in deinem scheiß Bundesland" folgt, oder ob das nicht viel mehr schon juristisch relevant ist. Es ist einerseits schön, dass das schmierige Stripclub-Gelaber von "Dreifarbenhaus" hier deutlich zurückgefahren worden ist. Andererseits beschleicht einen aufgrund solcher Momente das Gefühl, dass der Teufel das schlicht für opportun gehalten hat. Und über alles hat man drei Lagen Autotune drüber gekleistert, als gäbe es keinen anderen Effekt in der Ableton-Datenbank. Das ist nicht mehr zeitgeistig, das ist anbiedernd und fantasielos, genau so wie das "Zitat" alias Plagiat der Gesangslinie von "Hotline Bling" auf "Deine Augen".

Man kann dieses Album nicht wirklich hassen, man muss eher Mitleid mit ihm haben, denn hier wäre wirklich mehr drin gewesen. Dafür hätte es aber auch mehr Mut seitens des Teufels und seitens Bausa gebraucht, um dem auch mal zu widersprechen. So bleibt "Fieber" ein kühl kalkuliertes Industrieprodukt, bei dem die ganze kreative Energie für die Singles draufgegangen ist, die auch sinnigerweise alle am Anfang des Albums platziert sind, so als wäre man sich dessen bewusst gewesen. Es wird sich zeigen, ob Warner und Bausa damit kommerziell durchkommen, oder ob zumindest letzterer nicht ernsthaft darüber nachdenken muss, wo er eigentlich hin will. Dieser Weg führt auf die Resterampe.

Trackliste

  1. 1. Intro (Radio)
  2. 2. Nacht
  3. 3. Guadalajara feat. Summer Cem
  4. 4. Weiß Noch Nicht Wie
  5. 5. Mary
  6. 6. Licht feat. Dardan
  7. 7. Lang Her
  8. 8. Fieber
  9. 9. Bundesland
  10. 10. Regen
  11. 11. Liebeslieder
  12. 12. So Laut feat. reezy
  13. 13. Blauer Himmel
  14. 14. Deine Augen

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7 Kommentare mit 22 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Das Album hat keinen roten Faden. Auf Anhieb hat mich nur "Bundesland" gekickt. Der Rest dümpelt. Wertung passt.

  • Vor 5 Jahren

    Irgendwie absurd, wenn auf laut.de ein Majorlabel mit "Teufel" beschrieben wird, nachdem man ja selbst schon vor geraumer Zeit die eigene Seele an den Axel Springer Verlag verscherbelt hat. :lol:

    Album ist natürlich Schrott, so wie Alles was aus Bietigheim-Bissingen kommt, sollte klar sein.

    • Vor 5 Jahren

      Kauft Teufel, erwerbt Teufel!

    • Vor 5 Jahren

      Das impliziert jetzt aber, neben so einigen anderen Sachen, dass jeder laut.de Mitarbeiter es auch gut findet, Teil von Springer zu sein bzw. diese Entscheidung mitgegtragen hat. Und das ist dann halt doch schon ziemlicher Mumpitz.

    • Vor 5 Jahren

      Finde ich nicht. Wenn man auf einer Axel Springer Plattform Artikel veröffentlich in Denen man Majorlabels den Teufel nennt, ist das doch irgendwie schon ambivalent, oder etwa nicht?

    • Vor 5 Jahren

      Naja, das kommt letztendlich halt einfach darauf an, wie du das werten willst. Man kann natürlich dafür argumentieren, dass wer für Axel Springer arbeitet, den Verlag auch immer zumindest implizit unterstützt. Man kann aber auch dafür argumentieren, dass das einfach die Realitäten des Arbeitsmarkts sind und man sich das nicht immer aussuchen kann und solange man sich nicht an den kritikwürdigen Sachen direkt mitschuldig macht, man durchaus auch die Kritik ernsthaft äußern kann, ohne sich der Bigotterie schuldig zu machen. Ich denke, das hat letztlich beides seine Validität.

    • Vor 5 Jahren

      Könnte mir bitte jemande die Verbindung laut.de - Axel Springer erläutern?

    • Vor 5 Jahren

      Du kannst dir die Beziehung zwischen laut.de und Springer in etwa so vorstellen, wie die zwischen Bushido und Alkofat Abou Chaker.

    • Vor 5 Jahren

      stell dir das einfach so vor: es ist sonntag, dein sugar daddy kommt wie jeden sonntag zu kaffee und kuchen vorbei und nach dem ihr euch das bäuchlein vollgeschlagen habt, wird das tafelservice beiseite geschoben und er dringt ganz tief in dich ein. die sahne gibt es erst nach dem kuchen, direkt aus dem spritzbeutel.

    • Vor 5 Jahren

      Wer für den Axel Springer Verlag arbeitet, unterstützt den Springer Verlag nicht implizit, sondern explizit per Definition. Natürlich kann man trotzdem seinen Arbeitgeber kritisieren, aber je anch Art der Kritik ist das durchaus bigott.
      Rechtfertigen würde es vielleicht, dass man schon Jahre bei laut ist und auf die Arbeit angewiesen ist, aber auch dann sollte man seine Moral nicht zu sehr vor sich hertragen, wenn man nicht ambivalent wirken möchte.
      Dennoch kann man natürlich Majors kritisieren, denn die Schnittmengen sind dann doch schon eher oberflächlich, besonders da Springer ja nicht gleich Welt und Bild ist.

    • Vor 5 Jahren

      Bei aller lieber zu unreflektierten, populistischen Kommentaren im Internet, eine Unternehmensbeteiligung (insbesondere wenn es unter 51% sind), heißt nicht, dass das Unternehmen jetzt zu dem Konzern gehört. Das ist einfach Quatsch.

    • Vor 5 Jahren

      Hör doch jetzt mal bitte auf mit diesen Fakten, wir leben immerhin im postfaktischen Zeitalter. :P

    • Vor 5 Jahren

      @CAPSLOCKFTW ist klar, RB steht auch für RasenBallsport.

    • Vor 5 Jahren

      simpsons laufen seit ü30 jahren auf dem fox network und dissen seit jeher permanent fox (news), rupert murdoch und viele andere einschlägige moderatoren, die das eher konservative/republikaner spektrum bedienen

    • Vor 5 Jahren

      Die fahren aber wohl auch ne Quote ein, die ihnen so etwas erlaubt.

  • Vor 5 Jahren

    Album habe ich nicht gehört, da ich Bausa recht uninteressant finde, aber Summer Cems herrlich schmierigen Part auf "Guadalajara" finde ich immer noch geil. "Ich weiß nicht, was du in Zukunft machst / Baby, ich hab' genug Geld, brich die Schule ab" :lol:

  • Vor 5 Jahren

    ich muss zu meiner schande gestehen, obgleich ich gegenüber aktuellen deutschrap trends immer immuner zu werden scheine... apache 207 hat mein herz erobert ♥ ♥ ♥

    https://www.youtube.com/watch?v=6Wm4c4N1zm0

  • Vor 5 Jahren

    Bausa ist laut Wikipedia ein Rapper, aber ich hab ihn noch nie rappen hören, sondern immer nur singen. Das kann er dafür gut und hat einen hohen Wiedererkennungswert.

    Die Texte sind überwiegend Müll, da müsste er sich mal jemand suchen, der ihm welche schreibt, die ähnlich ansprechend sind, wie seine Stimme.

    PS: kann man wirklich Millionär werden, mit so einer Mucke?

    • Vor 5 Jahren

      So weit, so richtig. Zum PS: "Was Du Liebe Nennst" war insgesamt neun Wochen auf der 1, "Fieber" besetzt gerade wohl die Spitze der Hip-Hop-Charts. Wikipedia spricht bei "Was Du Liebe Nennst" von über 1,2 Millionen Verkäufen. Um zu wissen, wie hart ihn der Gehörnte über den Tisch zieht, müsste man seinen Vertrag kennen, aber ich glaube schon, dass da reichlich Schotter bei ihm hängen bleibt, allein des (für Deutschland) gigantischen Erfolgs wegen. Fürs Unser Täglich Koks Gib Uns Heute wirds allemal reichen. Davon abgesehen stellt sich die Frage, mit was für einer Mucke man heutzutage überhaupt noch Millionär werden kann, wenn man nicht gerade Helene Fischer ist.

  • Vor 5 Jahren

    Steckt in bausa nicht irgendwie poser. Lachnummer der Typ. Ganz harter rapper. Dass der sich überhaupt nach München traut. Aber die checkerkids feiern ihn weil sie keine Ahnung haben. Gaaanz toller Typ. Was sich heut schon alles Rapper nennen darf ist unglaublich. Und da soll sich noch einer wundern, wie die Kerle von heute unsere Mädels behandeln. Dem würde ich verbal mal gerne begegnen.