laut.de-Kritik

Geschichten aus der Schattenwelt von Ian Durys Sohn.

Review von

Den berühmten Vater, das Unikum Ian Dury ("Spasticus Autisticus", "Hit Me With Your Rhythm Stick"), kennt die Welt. So etwas kann für den Sohn eine erdrückende Hypothek sein; erst recht, wenn man Daddy wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sieht. Um so erfreulicher, dass Baxter Dury musikalisch und textlich seinen ganz und gar eigenen Weg fand.

Aus Rock, einer Prise Ska, Singer/Songwriter und orchestralen Andeutungen erschafft Baxter sarkastisches Crooning voll doppelter Böden und makabrer Pointen. Auf mittlerweile fünf Alben zerrt er das Dunkel ans Licht und bietet Geschichten aus der Schattenwelt menschlicher Abgründe und Merkwürdigkeiten.

Nicht selten fängt das harmlos an. Während der arglose Hörer den Protagonisten noch für den harmlosen Kerl von nebenan hält, entpuppt dieser sich als pädophiler Kidnapper (etwa im bisher bekanntesten Lied "Claire" aus Durys 2011er Album "Happy Soup") oder sonstwie monströser Geselle.

Wie Baxter Dury Songs aus scheinbar harmonischen Situationen ins Abseitige oder gen Sarkasmus kippen lässt, hat methodisch etwas von Randy Newman. Bei Dury ist das ganze jedoch sprachlich derber und atmosphärisch zwielichtiger verpackt. Sein "Prince Of Tears" geht dabei noch einen konzeptionellen Schritt weiter als alle bisherigen Platten.

"Das Album ist voll fiktionaler Schnappschüsse, die auf aktuellen Erfahrungen basieren. Es ist quasi der biografische Soundtrack zu einem fiktiven Film über mich", sagt Dury selbst. So ergibt sich die reale Komponente der Stücke folgerichtig nicht etwa aus ihrem wahnhaften Charakter, sondern aus seinem emotionalem Grundgefühl. Echtheit trifft das Surreale. Es ist ein wenig wie in "Twin Peaks" bzw. überhaupt David Lynchs Verschiebung aller Ebenen.

Auch musikalisch geht Dury mit dieser Scheibe deutlich weiter als bislang. Seine orchestralen Einschübe sind oft präsent, verharren gleichwohl in fragmentarischer Untermalung, als wären sie lediglich Samples aus der Discostreicher-Ära. Dank Craig Silvey (Arcade Fire, New Order, Florence & The Machine) überzeugt das Klangbild weit mehr als auf bisherigen Alben.

Mit Madelaine Hart - nicht zum ersten Mal Durys musikalische Partnerin - stellt er seinem Sprechgesang den optimalen Kontrapunkt gegenüber. Und zur Krönung taucht Jason Williamson von den Sleaford Mods in "Almond Milk" als Gaststar auf.

Absolutes Highlight ist "Miami". Der Song schillert und perlt elegant mit großer Cabrio & Ray Ban-Geste. Doch unter der sonnigen Fassade des Molochs lauern kaputte, widerwärtige Gestalten, begrabene Träume und gebrochene Versprechen. Aus allem saugt der Dämon Miami seinen schwarzen Honig. "Pissing on your fucking hill. And you can't shit me out./ 'Cause you can't catch me, 'cause you're so fat./ So fuck ya, I'm Miami!"

Trackliste

  1. 1. Miami
  2. 2. Porcelain
  3. 3. Mungo
  4. 4. Listen
  5. 5. Almond Milk
  6. 6. Letter Bomb
  7. 7. Oi
  8. 8. August
  9. 9. Wanna
  10. 10. Prince of Tears

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