laut.de-Kritik
Blasmusik urbaner Herkunft.
Review von Simon LangemannIn den letzten Jahren verwandelten zahlreichen Brassbands Blasmusik von einer altmodischen Sparte in eine hippe Stilrichtung. Einige Acts provinziellen Ursprungs wie LaBrassBanda gewannen mit Balkan-Einflüssen die Herzen der tanzwütigen Hörer. Beat 'n Blow aus Berlin übertragen dagegen die Massenphänomene Soul und Funk auf ihre Blasinstrumente, meist mit deutschsprachigen Lyrics. Auf "Nackt Und Roh" merkt man der Kapelle ihre urbane Herkunft deutlich an.
Dass der musikalische Werdegang der neunköpfigen Formation auf der Straße begann, schimmert auf ihrem fünften Studioalbum deutlich durch. So kommen die Stücke mit rohem, schnörkellosen Sound und dem intuitiven Charakter einer wild zusammengewürfelten Streetband daher. Dabei klingen Beat 'n Blow jedoch nie nach einer ungestümen Guggenkapelle. Trotz großer Besetzung bleibt das Spiel der Berliner stets versiert und agil statt übertrieben laut und wuchtig.
Ziemlich flott geht es im eröffnenden "1000 km" zu, bei dem Beat 'n Blow gleich zu Beginn einen der zwingendsten Refrains des Albums bringen. Die hier entfachte Aufbruchstimmung kehrt im Verlauf der Spielzeit immer wieder und überkommt einen vor allem gegen Ende im Reggae-beeinflussten "Irgendwohin". Hier zieht die Kapelle alle Register ihres Könnens und spannt über leicht swingendem Beat großartige Melodiebögen. Im technoiden "Queen Der Nacht" drücken die Berliner dagegen ordentlich auf die Tube, im Refrain schaut eine Querflöte vorbei und verleiht der Nummer Ohrwurmcharakter.
Bei "Louisiana Fish Fry" macht Frontfrau Katie La Voix dann ein wenig auf Lou Reed. Unrhythmischer Sprechgesang über gebremstem, ständig wiederholtem Riff - das erinnert an ein kürzlich erschienenes, äußerst umstrittenes Album namens "Lulu", funktioniert im Brass-Kontext aber eigentlich recht gut. Ansonsten schöpft die stets präsente Frontfrau ihr voluminöses Soul-Organ voll aus und überzeugt mit enthusiastischem und gefühlvollem Gesang.
Oft macht Brassband-Sound genau dann am meisten Spaß, wenn sich die Musiker austoben und ordentlich auf die Pauke hauen. In "Clap Clap (Wie Heißt Dein Spiel?)" blicken Beat 'n Blow auf ihre Marching-Band-Wurzeln zurück und brechen aus Soul, Funk und dem damit verbundenen filigranen Spiel aus. An die Stelle der dynamisch groovenden Drumbeats rückt hier ein ebenso simpler wie wirkungsvoller Marschtrommelrhytmus.
Bedauerlicherweise leidet ein beachtlicher Anteil der Songs an der etwas einfachen Produktion. Durch den schmalen Sound verfehlen viele Stücke die Atmosphäre, für die das Potenzial durchaus vorhanden gewesen wäre. Schließlich beweisen Beat 'n Blow beispielsweise beim tristen "Simpler Schmerz", dass auch eine kleine Blaskapelle Gänsehautmomente heraufbeschwören kann.
Bei Beat 'n Blow handelt es sich um die urbane Alternative zu ländlich beeinflussten Brassbands. Leider erstreckt sich der "Nackt Und Roh"-Aspekt etwas zu weit auf den Klang des Albums, so dass der große musikalische Wurf ausbleibt. Etwas mehr Atmosphäre hätte den meisten Songs sehr gut getan und den Hörspaß enorm gesteigert.
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