laut.de-Kritik
"Lebe, lache, liebe" in MP3.
Review von Emil DröllIhr seid doch selber schuld. Ihr kauft's ja immer wieder. Und ehrlich: Würde ich mit diesem Mist so einen Haufen Geld verdienen, ich würd's auch nicht sein lassen. Ich will "Hör Nie Auf Damit" wirklich mögen, ehrlich. Versprochen. Nichts liegt mir ferner, als den aktuellen Schlager zu diffamieren – er erledigt das schließlich ganz von allein.
Denn natürlich kommt wieder so ein Ding. Schlagerpiloten, Amigos, jetzt eben Beatrice Egli. Zugegeben, sie kann singen, was man von den Polyesterwesten-Kollegen nicht immer behaupten kann. Aber ein Haufen Scheiße auf einem Silbertablett bleibt eben ein Haufen Scheiße – auch wenn er gut intoniert daherkommt.
Man kann es sich eigentlich sparen. Hört einfach "Bros". Danach habt ihr physische Schmerzen an Stellen, von deren Existenz ihr bisher nichts wusstet, und könnt den Rest des Albums guten Gewissens überspringen. Es klingt, als hätte jemand die ohnehin banalen Texte durch eine KI gejagt mit der Ansage: "Mach's bitte jung und fresh." Heraus kam: Fremdscham mit Beat. Wenn Egli vom "Hoch auf meine Bros" singt, ihre "VIPs im Herzen" lobt und das Ganze als "größten Win auf Erden" verkauft, möchte man den Duden in den Arm nehmen und ihm Trost spenden. "Heroes", "Side by side" – ich kann die Anglizismen schon nicht mehr zählen, aber ich spüre sie. Wie Magenkrämpfe.
Wer trotzdem noch nicht abgeschreckt ist: bitte sehr: Der Titeltrack ist – leider – eingängig wie Sau. Liegt weniger an gesellschaftlicher Relevanz, ausgeklügeltem Songwriting oder Originalität, sondern an der altbewährten Mischung aus Bummsbeat, Reimautomat und völliger Inhaltsleere. Der Schlager von heute zieht sich selbst immer tiefer in den Dreck – mit einem Lächeln im Gesicht. Im Video schunkelt Egli fröhlich durch Palmen und Schmetterlinge. Low Budget natürlich. Gewinnmaximierung hat sie vermutlich direkt von Dieter gelernt.
Spätestens jetzt ist klar: Das hier ist wirklich "Nicht Normal". Reimwahnsinn deluxe. "Einmal" reimt sich auf "Keinmal", danach – wer hätte es gedacht – "Zweimal". Schließlich der finale Geniestreich: "Normal" auf "Nochmal". Keine KI der Welt würde sich das trauen. Dazu ein Synth-Schlagerbeat aus der Restekiste, fertig ist der Irrsinn.
Von "Au Revoir" bekommt man plötzlich Sehnsucht nach Mark Forster, und "Magisch" lässt Olexesh wie den größten Poeten der Neuzeit wirken. "So Oder So (SOS)" hat als einzigen Mehrwert, dass man sieht, dass beim Musikvideo wenigstens der Föhn lief. Kreativ war allerdings niemand. Und das stimmt wirklich nachdenklich: War Schlager nicht mal ein Genre, in dem es um Witz, Emotion, Gesellschaft ging? Warum ist er heute nur noch Fassade, Filter und Floskel? Brauchen die Menschen wirklich diese Leere? Gibt Beatrice Egli ihnen wirklich das, was sie wollen?
Auch "Abenteuer" ist leider keins, "Benzin ins Feuer" zündet nicht mal beim dritten Versuch, und "Zwischen den Stühlen" steht da, wo das ganze Album sitzt: irgendwo zwischen Gleichgültigkeit und Marketingabteilung. "Sternendiebe" macht zum ersten Mal fast etwas anders – schnellerer Beat, ein Hauch von Idee. Dann kommt "Wolkälos", bei dem man kaum etwas versteht, was aber gar nichts ändert. Lebenszeit sparen? "Warum Nicht". Schaltet ab. Egli versucht hier mal wieder, einer Floskel semantische Tiefe zu verleihen – ehrbares Vorhaben, katastrophales Ergebnis. Immerhin: Ein Gitarrensolo taucht plötzlich auf. Härter als die neue Turnstile. Oder so.
"Ja Zum Leben" schließlich macht einfach nur aggressiv. Ja, das Leben ist schön. Ja, die Welt dreht sich weiter. Nein, wir brauchen keine Beatrice Egli, die uns das in Reimform erklärt. Und wenn nach "Einfach Machen" und "Vollmond" immer noch jemand zuhört, dann bitte: Respekt. Oder Mitleid. "Wie Stark Du Bist" beschließt das Album als Hymne an alle Wand-Tattoos dieser Welt – "Lebe, lache, liebe" in MP3.
Am Ende bleibt "Hör Nie Auf Damit" ein bezeichnendes Dokument des modernen Schlagers – einer Musikrichtung, die einst das Alltägliche poetisierte und heute das Banale verklärt. Wo früher Ironie, Herz und Handwerk ein Dreigestirn bildeten, regieren nun Marketing, Meme-Sprache und Algorithmus. Beatrice Egli ist dabei weder Täterin noch Retterin, sondern Symptom einer Industrie, die ihre eigene Ironie längst nicht mehr erkennt. Zwischen Wohlfühlbotschaften und Werbeslogans bleibt kein Platz für Ambivalenz, keine Bruchstelle, kein Risiko. Und doch: Gerade in dieser klinisch reinen Glätte spiegelt sich vielleicht der Zeitgeist – eine Ära, die lieber blinkt als fühlt. "Hör Nie Auf Damit" ist kein Totalausfall, sondern ein Spiegel. Nur leider zeigt er, wie leer es hinter all dem Glanz geworden ist.
2 Kommentare
Tolles Album-Cover für Ü50-Jungs, die ihre Sexualität gerne im Manual-Modus
ausleben.
"Von "Au Revoir" bekommt man plötzlich Sehnsucht nach Mark Forster ..."
Mark Forster ist schlimmer.