laut.de-Kritik
Harper ist eben doch der bessere Kravitz.
Review von Michael SchuhIn Australien und in den Staaten ist Ben Harper ein dicker Arenen-Füller. Auch unsere Nachbarn Frankreich und Italien verhalten sich gönnerhaft und kaufen die Studio-Platten des Afro-Amerikaners regelmäßig in die Gold-Regionen. Hierzulande schart sich nur ein überschaubarer Kreis um den Geschichtenerzähler mit seiner speziellen Slide-Gitarre, was die 25 Nummern starke "Live From Mars"-Doppelscheibe nun hoffentlich ändert.
Im Booklet und auf dem Cover werden uns Harper samt Criminals als Mega-Stars verkauft: die Band im Flieger, backstage und auf der Bühne vor zigtausend Menschen, heideblitz! Und tatsächlich: viele seiner Songs müssten auch hier die Charts stürmen, denn wo ein Lenny Kravitz breit durch Pfade trampelt ist doch wohl noch genügend Platz. "Woman In You" ist so ein erstklassiges Stück Akustikgitarre mit Blues-Einschlag und läuft ebenso geschmeidig rein wie das Marley-inspirierte "Burn One Down" inklusive Textgegröle der nicht ortsdefinierten Zuschauermenge.
Ja, der Mann ist ein virtuoser Songwriter der alten Schule, der zwischen den Stimmoptionen "samtweich" und "volles Ofenrohr" nach Belieben hin und her switcht. Marvin Gaye ("Sexual Healing") und Led Zeppelin ("Whole Lotta Love") werden quasi nebenbei geadelt, die Klassiker ragen nur durch ihren Bekanntheitseffekt aus dem Soundgefüge heraus. Harper legt steil vor: beim bluesrockenden Opener kreischt er noch gequält, doch "Excuse Me Mr." vom zweiten Album schunkelt bereits herzzerreißend und die Verzerrer-Ballade "Alone" ist ein früher Höhepunkt.
"Steal My Kisses" beginnt mit HipHop-Beats, bis plötzlich Human Beatboxer Rahzel zum Einsatz kommt, einigen sicher vom Fanta 4-Track "Locker bleiben" bekannt und pustet in die Flossen. Groove on baby! Auf CD Eins zieht Harper wirklich alle Register seines Könnens. Die zweite Hälfte klingt dagegen wie das Auslaufen eines Athleten: Balladen und Feinfühliges über die volle Distanz. Die ruhigen Folknummern werden mit Soul und Gospel-Einsprengseln angereichert, nähern sich aber mit fortschreitender Dauer der Klippe zur Beliebigkeit.
Das Verve-Cover "The Drugs Don't Work" geht wie so mancher Track zwar in Ordnung doch hätte ich bei einem fulminanteren Finale eher die Bestnote gezückt. So bleibt mir nur der Verdacht, dass dieser Mann live ein ziemliches Spektakel sein muss und die Gewissheit, dass Harper der bessere Kravitz ist.
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