laut.de-Kritik
Die zwei Seiten des Ben Harper: Spontan und introspektiv.
Review von Giuliano BenassiEs gibt wohl kaum einen Musiker, der sich so frei bewegt wie Ben Harper. Blues, Rock, Folk, Funk, Gospel und alles, was dazwischen kommt – Hauptsache, die Stimmung passt. Dennoch muss sich der Kalifornier seit seinem Debüt "Welcome to the Cruel World" (1994) den Vorwurf gefallen lassen, dass er auf seinen Alben zu viele Stile kombiniert, anstatt sich auf einen oder zwei zu konzentrieren. "Both Sides Of The Gun" ist sein Versuch, den Nörglern den Mund zu stopfen.
Tatsächlich besteht sein siebtes Studioalbum aus zwei CDs, auch wenn Harper nichts von einem Doppelalbum wissen will. Er nennt sie "eine Platte, die zwei grundverschiedene Bewegungen beinhaltet". Die achtzehn Stücke hätten zwar locker auf einen Rohling gepasst, doch der Sänger wollte diesmal eine klare Trennung: Auf der einen CD die eher ruhigen Songs, auf der anderen die giftigen.
Der Wohlklang ist auf der weißen Scheibe zu finden. Er beginnt mit dem mit Streichern angereicherten "Morning Yearning", das von schönen Momenten am frühen Morgen handelt. Von Liebe und Seelenverwandtschaft erzählen auch die folgenden Stücke, gelegentlich auch von Einsamkeit. Harper setzt stimmlich seinen zärtlichsten Gang ein und lässt sein Talent für Melodien erkennen. Die Begleitung reicht von Gitarre und Stimme ("Never Leave Alone", "More Than Sorry" bis hin zur vollen Bandbesetzung inklusive Kammerorchester ("Cryin' Won't Help You Now", "Reason To Mourn"), aber im Mittelpunkt stehen Ruhe und Gelassenheit.
So kitschig sich Harper auf dem letzten Stück des ersten Albums, ähm, der ersten Seite gibt, so wütend tritt er auf der schwarzen Scheibe an. Die pseudo-indischen Klänge zu Beginn von "Better Way" verdichten sich zunehmend und führen dazu, dass sich Harpers Stimme zwischendrin überschlägt. Der ewige Vergleich mit Lenny Kravitz ist hier nicht ganz an den Haaren herbei gezogen, doch nur für kurze Zeit, denn anschließend bekennt Harper politisch Farbe. Der funkige Titeltrack ist eine bitterböse Abrechnung mit der US-amerikanischen Politik. "One dimensional fool in a three dimensional world", singt er unter anderem.
Eine Attacke, die er mit "Black Rain" fortsetzt. Das Lied entstand ein Tag nach der Verwüstung von New Orleans durch Hurrikan Kathrina und fällt entsprechend bitter aus. "This government business is straight sadistic", verkündet Harper zu Beginn, bevor er Bob Dylan ausgräbt: "This generation is beyond your command … a black rain is gonna fall". Das gospelige "Gather 'Round The Stone" handelt von der Beerdigung eines Soldaten ("You whip the back of freedom / 'Till it bleeds an oil stream / Then you sail down upon it / In your killing machine"). Im abschließenden "Serve Your Soul" lässt Harper alle Zügel locker und weckt Erinnerungen an Jimi Hendrix.
"Die eine Hälfte ist so spontan, offen und roh wie alles, was ich je gemacht habe; die andere Hälfte ist so introspektiv und persönlich, wie ich auch als Mensch bin", erklärt Harper den Unterschied zwischen den zwei Seiten von "Both Sides Of The Gun". Ein persönliches Unterfangen, das ihm über weite Strecken gelingt. Dass er einer der wenigen international bekannten US-Musiker ist, die sich kritisch mit innen- und außenpolitischen Themen auseinander setzen, ehrt ihn noch mehr.
16 Kommentare
Das ist ursprünglicher Rhythm'n'Blues!Das ist der Mann,der den Blues ins neue Jahrtausend transferiert!
Nach "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not" ein weiteres Album,das ich das ganze Jahr lang zelebrieren werde.
Der Songwriter -Teil des Doppelalbum sagt mir momentan mehr zu(Morning Yearning!), doch die Groove-CD,wie er es selber nennt,zeigt was für ein begnadeter Musiker er ist.Aus handwerklicher Sicht atemberaubend.Aus lyrischer Sicht.Und Überhaupt.Charisma.Charme.Revolution.Ich möchte seine PR-Mangerin sein:o:).
Jimi Hendrix,Rolling Stones,Lenny Kravitz, Bob Dylan,Jack Johnson,Bob Marley....ich höre sie alle in Ben Harper.
Bitte anhören!
Ein Highlight! Ich freue mich schon sehr auf den Auftritt beim Southside...
Die 2. CD ist wirklich groß. Ich hör da eher den Clapton, Syl Johnson, Shuggie Otis stellenweise mit 'ner Priese BB King und The Meters gewürzt, raus, um mal bei lebendigen Vergleichen zu bleiben.
Die 1. CD ist im Vergleich zur "Groove"-CD grausam langweilig, da fehlt mir die ganze schicke Äkschn.....immerhin hat die Ödnis da den Zweck gehabt, die längst verschollen geglaubten Skip-Funktion wiederzuentdecken.
@chief gewickelt (« Nun erweck mal nicht den Eindruck, als wenn du es schon mal auf eine Prüfung dessen hast ankommen lassen. »):
Treulosigkeit, Untreue, Verrat.
Patrick,war es nicht so?:saint: Hmmmh?*stell dir das in dem Ton vor,in dem Jennifer Beals in Four Rooms spricht:p*
Zitat («
Außerdem: So was in aller Öffentlichkeit von jemanden zu behaupten, der im Stande ist, ad hock die in Fleisch gemeißelte Romantik an sich zu verkörpern, schadet unter Umständen doch deiner Glaubwürdigkeit. »):
Habe halt Gefallen an öffentliche Provokationen,so wie du sie pflegst,gefunden:smug:.
Ab jetzt läuft das immer so!:smoke:
Ich liebe übrigens den Titel "Please Don't Talk About Murder While I'm Eating". Die Lyrics überhaupt, die auf der 2ten CD noch expressiver sind.
@yasmin (« Treulosigkeit, Untreue, Verrat. »):
Huch, ich kann mich da vor lauter differenziert herausgearbeiteter Anklageoptionen - die auch noch völlig aus der Luft gegriffen sind - gar nicht entscheiden !
Ähmää.....Sseniorita, bevorre mia die ähh Familiäninkwisiszion geg'n High-Noon auf den Pelz szu rrücken verssucht: hatten wirr dänn bisslan' einä Bessiihun'....(?!) [/amateurhaft synchronisierter banderas-hispanic-akzent]
....ich kann mich zumindest nicht mal daran erinnern, dass wir überhaupt auch nur eine Silbe miteinander gesprochen hätten....:whiz:
[/verteidigung plädiert aufgrund der nun erdrückenden beweislast zugunsten des angeklagten auf freispruch]
Mein imaginärer Anwalt rät mir, um den Thread nicht noch mehr zu verschandeln, weiteres (z.B. die horrenden Entschädigungsleistungen wegen perfid inszenierten Rufmords etc.) via ICQ&Co. zu regeln.
In der aktuellen Jazz thing (http://www.jazzthing.de/) ist u.a. auch ein Interview mit ihm drin...über das Album und seinen latenten "Makel" sich für einen Stil festlegen zu können, politische Missstände in den USA, Religionen im Allgemeinen, Frau, Kind&Kegel usw.
Er hat ja Laura "Ich seh' so scheiß grenzdebil, wenn ich heule, aus" Dern geheiratet, da endet ja jeder Ehekrach in fiesen Augenkrebs.
Und die Groove-CD ist noch immer das reinste Sahnestück.