laut.de-Kritik

Must-Have für Soul-Fans.

Review von

Ungefähr auf halber Entfernung zu Paris und zur Atlantikküste liegt Tours. Ganz anders als in Detroit, ehemals Zentrum der Auto-Industrie, heißen die Exportgüter von Tours Nougat, Käse, Chardonnay, Cabernet und Pinot. Und doch gibt es dort im Weinanbau-Gebiet an der Loire Motown-Soul. Ausnahmsweise. Das ist so ungewöhnlich, dass Benjamin Duterde sich schon am Anfang seiner Karriere den Namen 'Soul-Onkel' verpasste und damit sein Alleinstellungsmerkmal hervor hob.

Ben l'Oncle Soul hat seit seinem großen Hit "Seven Nation Army", dem White Stripes-Cover, immer wieder von sich hören lassen. Zuletzt zum Beispiel veröffentlichte er zwischen erstem und zweitem Lockdown 2020 eine LP. Sie klang nett, nach einem Routine-Album, passabel, angenehm - keine Erfindung des Rades, etwas eintönig. Nach "Addicted To You" erschienen "Red Mango" und "Is It You?". Alle diese Platten floppten auch in der Heimat des Onkels.

Beim neuen Werk stolpert man schon mal über den Titel "Sad Generation". Knietief in Schwermut badet das Werk trotz seiner rhythmischen Beschwingtheit, rudert aber Richtung Romantik, Wohlgefallen und Harmonie. Die süßen Melodie-Verläufe überraschen ein ums andere Mal, haben weder Abgenutztes noch Eintöniges, sondern wecken Interesse. Der 40-Jährige gestaltet die Arrangements licht und klar. Jede Kreisbewegung auf der Snare-Drum, jedes Zirpen am Bass, jeder lang gezogene Ton an den Keyboards sollen heraushörbar sein. In dieser Sound-Transparenz fällt auf, dass der Franzose, der akzentfrei Englisch singt, inzwischen immer in der Fremdsprache bleibt. Früher machte er Splits zwischen beiden Sprachen.

Wie ein Blueser in der Lebenskrise jault er in "By Your Side" auf, er ist gut bei Stimme. Das reduzierteste Stück, der Closer "Will You Be There" offenbart Bens Vorlieben fürs In-Sich-Hineinhorchen und für die Musik des New Yorker Kollegen Maxwell (nicht der deutsche Rapper). Maxwell, der mit "'Til The Cops Come Knockin'" bekannt wurde, galt Ende der 90er als eine der Initialzündungen des Neo-Soul, kam in den Genuss eines "MTV Unplugged". Und zumindest "Stripped", sich mit wenigen Mitteln auszudrücken und die Grundstimmungen eines Maxwell oder der frühen Macy Gray - das alles prägt Ben l'Oncle Souls neues Album. Unplugged ist es nicht, bis auf das strohig gezupfte "Your Hand In Mine". Aber das Album verzichtet auf alles, was überflüssig sein könnte. Keinesfalls entbehren lassen sich indes die geschmackvollen Background-Chöre und die Querflöte in "I Got Home" , die Dub-Reverbs in "The Walls", die Jingle-Jangle-Urban-Beats in "I'm Good" und das gemütliche E-Piano in "New Place".

Die Stücke lassen sich stilistisch in die Abteilungen Daptone ("By Your Side"), Downtempo für die nächtliche Bar ("New Place"), Anderson .Paak- oder Mayer Hawthorne-Style ("I'm Good"), Stax-Revival ("Everything Bout Ya"), Motown meets Chanson-Pop ("I Got Home"), Roy Ayers-Nostalgie ("Don't Wanna Fall") und Reggae Marke Black Seeds/Flox ("F*** What U Want", "The Walls") einordnen. Dass Usher ein Teil der Inspiration gewesen sein soll, hört man eher zwischen den Zeilen. Auch Aaliyah und Boom Bap der 90er, Doo-Wop und Rhythm and Blues der 60er seien laut Künstler in den Longplayer eingeflossen.

Schön geraten ist "Sad Generation" allemal, auch wenn am Ende unklar bleibt, wieso das Album so heißt. Aus den genannten Quellen hat Ben feinste Partikel gesogen und zu einem Amalgam zusammen gepresst, das einen ganz eigenen, wie selbstverständlichen, coolen Stil zeigt und eine lockere, non-chalante, entspannende, piekfein produzierte Platte hervor brachte. Ein Must-Have für Soul-Fans.

Trackliste

  1. 1. Don't Wanna Fall
  2. 2. I Got Home
  3. 3. Hard To Do
  4. 4. Your Hand In Mine
  5. 5. The Walls
  6. 6. Everything Bout Ya
  7. 7. I'm Good
  8. 8. New Place
  9. 9. By Your Side
  10. 10. Interlude
  11. 11. F*** What U Want
  12. 12. Devil On My Shoulder
  13. 13. Will You Be There

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