laut.de-Kritik

Hängengeblieben? Okay. Aber seht, wo wir hängen!

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über "The Plugs I Met" schrieb Kollege Yannik Gölz seinerzeit: "Es gibt sie, die Momente, in denen sich Bennys Nostalgiker-Sound etwas hängengeblieben anfühlt." Knapp zwei Jahre zogen ins Land, und Benny The Butcher hat einfach das gleiche noch einmal gemacht. Er nennt es sogar genauso, mit einer Versionsnummer hintendran: "The Plugs I Met 2".

Wer da Innovation oder Revolution erwartet, darf sich die Schuld für eventuell enttäuschte Erwartungen in die eigenen Schuhe schieben. Erneut schlagen die "Scarface"-Referenzen bis aufs Cover durch. Wieder fliegen Kugeln und Backsteine, wenn Benny aus seiner Hood berichtet. Auch diesmal hat die Eiseskälte Straßen wie Herzen voll im Griff. Wenn der erste Teil schon hängengeblieben wirkte, was machen wir dann mit diesem Ding hier?

Nun, Vorschlag: Wir lassen uns drauf ein und uns hineinfallen, in "la música de Harry Fraud", die Bennys Vortrag ins rechte, selbstredend recht rückwärtsgewandte Licht setzt. Ja, "The Plugs I Met 2" mag musikalisch wie inhaltlich künstlerischen Stillstand demonstrieren - allerdings weit oben, auf einem Hochplateau. Zudem ließ Benny the Butcher durchblicken, dass er sich durchaus bewusst da hingestellt hat: "Das ist eben mein Ding", erklärte er unlängst gegenüber dem Rolling Stone. "Ich fühl' mich wohl in der Schiene, in der ich bin."

Zum Retter des Genres wähnt er sich ohnehin nicht berufen, das stellt er gleich als erstes fest. Denen, die ihm mit "Yo, ayo, you saved this rap shit" zu kommen versuchen, hält er entgegen: "Nah, this rap shit saved me though." Fairer Deal, irgendwie.

Auch wenn "The Plugs I Met 2" keine neuen Horizonte eröffnet: Auf vertrautem Terrain bewegt es sich dafür unglaublich versiert. Fraud strickt, aufgehübscht mit engelsgleichen Frauenstimmen, Klavier- und Streicherklängen, BoomBap-Beats der effektivsten Sorte. Die wiederum beschwören auf voller Länge (die ohnehin nur eine knackig-knappe halbe Stunde beträgt) Atmosphären, bei denen man sich kein Stück wundern würde, platze man beim Gang um die nächste Ecke versehentlich in ein Treffen von Tony und Sosa hinein.

Bennys beeindruckend unbeeindruckter Vortrag wirkt jederzeit vollkommen mühelos. Das alles beherrschende Gefühl, das er verströmt: Dieser Mann erzählt keinen Mist. Er verbiegt sich nicht, er schließt keine Kompromisse, er konstruiert sich nichts zurecht, er beschönigt allerdings auch nichts, weswegen man sich geneigt sieht, ihm jedes einzelne seiner Worte abzukaufen.

Zugegeben, ich bin wahrhaftig nicht angesprochen, wenn Benny The Butcher verkündet, an wen er sich richtet: "I play for black boys", für Gangster und Hustler außerdem, für die Straßen, von denen er kam und auf die zurückzukehren, um etwas zurückzugeben, er sich offenbar verpflichtet fühlt. Seine durch und durch unromantisierten Darstellungen lassen aber (ganz offensichtlich) auch ältere, weiße, halbwegs gesetzestreue Frauen vom anderen Ende der Welt nicht kalt.

The Butcher erzählt von Männern mit bestenfalls mittelmäßigen Chancen, ihre Großeltern zu überleben, von der unbarmherzigen Härte einer Welt, aus der nur Erfolg - spricht Geld - irgendeinen Ausweg bietet. Er erzählt aber auch von den Fußangeln und Kehrseiten des Geschäfts, das sich nur auf die harte Tour wirklich lernen lässt: "I got stabbed in the back, I got scars." Es ist das alte, vertraute Lied - aber in einer unsentimentalen Eindringlichkeit vorgetragen, dass es einem stellenweise brutal die Luft abschnürt.

Die Featuregäste fügen sich größtenteils unauffällig in dieses düstere Bild, trotzdem scheint niemand ohne Grund geladen zu sein: Chinx etwa klingt nicht ganz so abgebrüht, passt mit seiner smootheren Stimme aber wie bestellt in die weiche, leicht softpornöse Kulisse von "Overall".

Gemeinsam mit French Montana und Jim Jones lotet Benny The Butcher das Geheimnis der "Longevity" aus - darauf, auf Langlebigkeit, nicht auf das kurzzeitige ganz dicke Geld kommt es ja an, wenn am Ende abgerechnet wird: "Grind, make sure your cash is the strongest. But it's still 'bout who lasts the longest." Andere walzen eine solche Erkenntnis zu einer ganzen Business-Ratgeber-Reihe aus.

In "Talking Back" gastiert Fat Joe, der eigentliche Star dieses Tracks bleibt aber der Beat, den Harry Fraud aus einem Soulsample und Flötentönen zusammengelötet hat. Wenn hier noch die Drums durchrollen: woah! Das direkt folgende "No Instructions" drosselt das Tempo gleich wieder merklich, während Benny The Butcher an seiner Entwicklung teilhaben lässt: "I learned quick 'cos a brick comes with no instructions."

Irgendwie war klar, in welche Richtung der Dank fließen muss, wenn Benny The Butcher am Ende noch "Thanksgiving" ausruft: "Somebody tell me thank you." Ja, tun wir doch, wenn auch ein bisschen verspätet: Danke, für diesen so melancholischen wie klassischen Trip in die Straßen von New York. Hängengeblieben? Okay. Aber seht, wo wir hängen! Wer wollte sich darüber schon groß beschweren?

Trackliste

  1. 1. When Tony Met Sosa
  2. 2. Overall feat. Chinx
  3. 3. Plug Talk feat. 2 Chainz
  4. 4. Live By It
  5. 5. Talking Back feat. Fat Joe
  6. 6. No Instructions
  7. 7. Longevity feat. French Montana & Jim Jones
  8. 8. Survivor's Remorse feat. Rick Hyde
  9. 9. Thanksgiving

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