laut.de-Kritik
Ein größenwahnsinniger Selbstfindungstrip.
Review von Yan VogelBetween The Buried And Me kreieren eine Maschine, mit der man seinen Geist zum Fliegen bringen kann. Nur befindet man sich nicht wie beim Blockbuster "Inception" auf einem fantastischen (Alp-)Traum-Trip oder reist wie beim "Parallax"-Konzept einmal durch die Galaxis, sondern erhält mit Hilfe der "Koma-Maschine" einen Zugriff auf frühere Inkarnationen, die man immer wieder durchlebt. Der zunächst nicht sonderlich originelle Gedanke eignet sich musikalisch jedoch als extrem vielseitig umsetzbarer roter Faden. Generell kann man dem Konzept sowohl realistische als auch eskapistische Züge zuschreiben.
In der fiktiven Story klingt die Optionsfülle an, die ein Leben in der gut situierten westlichen Welt vielen generell bietet und vor der viele oft kapitulieren. Und so driftet man von einer Situation zur nächsten, vergleichbar mit dem virtuellen Sprung von Existenz zu Existenz und merkt nicht mal, wie die Zeit vergeht und man eines Tages mit dem Tod des eigenen Egos konfrontiert wird. Generell dreht sich vieles in der Story um die Frage der Selbstachtung. Man sollte nicht allzu viel Zeit damit verschwenden, jemand zu sein, der man nicht ist.
Der Wandel von den Szene-Helden des Metalcore, die Kreissägen-Hyperspeed-Gitarreninfernos perfektionierten, zu genreübergreifenden Konzeptkünstlern bleibt bei allen übernatürlich anmutenden Fähigkeiten des fünfköpfigen Kollektivs nachvollziehbar und harmonisch. Nach wie vor präsentieren die Amis technisch anspruchsvollen Prog mit starker Metalschlagseite.
Das Modus Movendum sind eklektische, in seiner szenischen Anlage an Filmscores erinnernde Kompositionen. Zudem stehen Keyboards jeglicher Couleur noch mehr im Mittelpunkt als bislang und tragen viel zur emotionalen Ausgestaltung bei. Man höre nur das mit Orientalismen verzierte, cineastische Ende von "Turn On The Darkness" und das weirde Klavierlick, mit dem das psychotische "The Ectoptic Stroll" eingeleitet wird. Zudem bietet Tommy Rogers mal wieder eine enorme Stimmbandbreite an.
Die unterschiedlichen Einflüsse und Spielarten werden in den einzelnen Songs kaleidoskopisch gebündelt: Elektronica, Soundscapes, Filmmusik, Rock, poppige Melodiebögen, klassische Parts, Jazzeinwürfe, virtuos-verspielter 70s-Prog der Marke Genesis oder Pink Floyd, Bombastrock im Stile Queens, Prog-Metal mit starker Dream Theater-Schlagseite, technischer Death Metal und ein gehöriger Arschtritt der aktuellen Prog-Generation wie Animals As Leaders, The Ocean oder Leprous ergeben ein Songwriting bar jeder Konvention. Heraus kommt ein größenwahnsinniger Selbstfindungstrip, ein hyperaktiver Stream Of Consciousness, geleitet von überbordender Kreativität.
"Rapid Calm" besticht mit spacigen Klang-Collagen, die an Sci-Fi-Filme der 80er erinnern, unterbrochen von wüsten Riffpassagen, um das Ende mit einem Cockrock-Riff par excellence zu beschließen. Der balladeske Einstieg zu "King Redeem / Queen Serene" währt nur kurz, denn im Anschluss bricht eine frickelige Todesblei-Attacke über den Hörer ein, der ein Refrain aufgesetzt wird, der zwischen Blastbeat und Hardcore pendelt.
Die absoluten Überwerke sind "Turn On The Darkness" und "Memory Palace", weil hier der stilprägende Abwechslungsreichtum und die Homogenität des Bandgefüges von gnadenlos guten Hooklines flankiert werden. Das Springen zwischen den unterschiedlichen Inkarnationen spiegelt die musikalische Vielfalt perfekt wider. Jeder Song besitzt seinen eigenen Charakter, was dem Songwriting maximale kreative Optionen verschafft.
Zwischen Elysium, Limbus und Alptraum bewegend deckt die Band emotionale Abgründe ab, die in der kurzen Abfolge zu Beginn des Hörens überfordern können. Hier gilt wie so oft der Standpunkt: Was für die einen ADHS ist und ruhiggestellt gehört, ist für die anderen der normale Spieltrieb, der sich Geltung zu schaffen versucht.
3 Kommentare mit 7 Antworten
Was ist denn ein Alptraum?
Bestes Album von denen bis jetzt, aber man hat irgendwie immer das Gefühl, die könnten noch mehr.
Meine Güte, hätte nie gedacht, dass "Alptraum" tatsächlich die korrektere Schreibweise ist.
SHAME! *ding ding*
Klar, es heißt ja schließlich auch Alpecin und nicht Albecin.
john degenkolb, warum nehmen sie alpecin ?
Etymologisch gsehen wäre Albtraum (welches ebenfalls korrekt ist) die logischere Schreibweise. Was das allerdings mit Alpecin zu tun haben soll bleibt mir ein Rätsel. Es heisst ja schliesslich auch Banane und nicht Panane.
https://youtu.be/iphuMBINgWY?t=1m20s
Auf dem s/t-Debut hatten die grossartige Gesangsparts. 'Alaska' hatte ich dann noch gehoert, seitdem nix mehr. Keine Frage, dass die alle voellig wahnsinnig sind.
Sehr empfehlenswert. Kennt jemand noch andere sachen, die in diese richtung gehen?
PsyOpus, Ion Dissonance und solches Gehaecksel, nur halt trotzdem noch weit, weit weniger "outchea".
Danke. Da hör ich mal rein.