laut.de-Kritik
Lässt spielerisch und stilistisch nichts vermissen.
Review von Philipp KauseMit Saxon hat diese Platte nur in ein paar Songs zu tun, "Worlds Collide" zum Beispiel. Da treffen Wesen aus einer anderen Galaxie auf die sowieso schon gebeutelte Erde und Byford nölt kehlig zum Speed Metal-Bass-Stakkato: "You came here (...) searching for life / But who will survive?" Wie Saxon-Frontmann Biff Byford zwischen den ganzen Tourneen mit der Band in seinem gereiften Alter von 69 Jahren das nun zweite Solo-Album unterbekam, fordert Respekt ein. Zumal es mitnichten ein hingerotztes ist. "School Of Hard Knocks" unterscheidet sich vom düsteren, geradlinigen Film-Soundtrack-Vorgänger "The Scintilla Project: The Hybrid" und überrascht an etlichen Stellen.
"Scarborough Fair" fällt da auf. Es gab diesen Song noch nicht so, obwohl schon x-mal im Metal gecovert. Das ur-englische Traditional bekamen My Dying Bride, Leaves' Eyes, und Queensryche zwischen die Finger und Starkstrom-verbundenen Saiten. Byford erkennt den mittelalterlichen Charme des Songs in allen Fasern seiner Substanz und erliegt nicht der Versuchung, diese Ballade aufzuplustern. Sachte spielt er sie durch, aber anders als Simon & Garfunkel nicht folkig, sondern mit einer klar rockigen Linie.
Byford dehnt die Nummer auf fünf Minuten. Dramaturgisch entfaltet er, wie man da wirklich durch einen Marktplatz im Norden Englands streift und unschuldig den Duft von Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian einatmet, bis sich eine Verführung in den Weg stellt: die große Liebe im Tausch für eine unbewältigbare Herausforderung. Byford fühlt die Fantasiegeschichte richtig gut nach, die bis ins späte 17. Jahrhundert zurückreicht. Das Arrangement ist sagenhaft, weil es harte und zarte Klänge perfekt verwebt. Beide Elemente stecken auch im Text dieser eigentlich traurigen Story - die bisher beste Version des Songs in der Pop-Ära!
Der energischste Cut des Albums, "Pedal To The Metal", bindet Martinshörner einer Feuerwehrsirene ins Gitarrensolo ein. Der Track reißt als unwiderstehlicher Headbanger mit. Überhaupt eignet sich der Stomper zum Rumspringen oder auch, um das Badezimmer zu putzen. Da schrubbt man dann schon mal mit Schmackes mit. "Take it to the limit, the maximum thrust!"
Wer die Singles, "Welcome To The Show", "School Of Hard Knocks" und "Me And You" verfolgte, rechnete womöglich schon mit einem straighten Rock-Album im Sinne von Siebziger-Glamrock und Alice Cooper. So eindeutig zuordnen lässt sich die Platte dann doch nicht, zumal mit "Inquisitor" und dem ersten Abschnitt von "The Pit And The Pendulum" akustisch aufgezogene, ruhigere Passagen den Lauf der Dinge drehen. Fredrik Åkesson von Opeth brachte hierbei seine Handschrift ein, wobei dieser Schlenker das Album nicht maßgeblich aufwertet. "Hearts Of Steel" wiederum serviert steinharten Heavy Metal. Bleibenden Eindruck hinterlässt weder das eine noch das andere Extrem.
"Welcome To The Show" handelt vom Musikbusiness, vom Tourleben, und von der unheimlichen Kraft, die das Bühnendasein Byford zurückgibt, vom Zeitempfinden on stage ("we're not in a rush, we take our time") und von der eigenen Sucht danach, einen einmal im Radio aufgeschnappten Ohrwurm zu entschlüsseln ("Who was the band? I gotta know / It's driving me mad (...) / It's stuck in my head"). Es geht um Freiheit, Kontrollverlust und darum, sich im Rausche der Musik fallen zu lassen. Entsprechend authentisch wirkt der Tune. "School Of Hard Knocks" erzählt in ähnlichem Classic Rock-Style von der Kindheit mit einem Alkoholiker als Vater.
Der Höhepunkt rollt mit dem Wishbone Ash-Cover "Throw Down The Sword" an. Dies ist die Feuerzeug-Ballade mit 57 Sekunden sägendem, funkelndem, kraftvoll untertrommelten, majestätischen Gitarrensolo eines seelisch Verwundeten in der Hoffnung auf eine Antwort ("only hoping for an answer"). Im Sadness Level kommt das schon nah an Gary Moore ran. Gegenüber dem Original muss man gleich ein paar Mal den Hut zücken.
Das Holzige, bisweilen auch hölzern Steife und Biedere des Originals überwindet Byford hier elegant. Er haucht dem Klassiker ordentlich Leben ein: Gesanglich bietet er eine klare Steigerung gegenüber den existierenden Studio- und Live-Fassungen. Erst auf der Höhe des Gitarrensolos hat man die Chance zu erkennen, dass dies wirklich der gleiche Song ist. Das Solo klingt jetzt anders als bei Wishbone, zwar ähnlich gleißend, aber tiefer eingebettet ins gemeinsame Spiel.
Die überragenden Punkte stammen hier zwar aus Cover-Versionen und die beiden farblosen Tracks am CD-Ende besteigen nicht gerade den Gipfel der Originalität. Sie sind okay. Adult Oriented Rock eben und auch nicht mehr als das. Aber man hört der ganzen Platte an, dass sie 'gefühlt' wurde. Mit Herz und Verstand führt sie durch verschiedene Spielarten der Gitarrenmusik und eignet sich zum immer-wieder-gerne-hören.
2 Kommentare
bin kein großer Saxon Fan, aber große Unterschiede erkenne ich nicht. Die Songs sind OK, die Produktion könnte besser sein.
Naja, die schnelleren Stücke auf der Platte kriegen eher nach Saxon, die ruhigeren sind ein wenig anders und gewöhnungsbedürftig.
Insgesamt aber eine gute Platte.