laut.de-Kritik
Therapeutisch orientierter Garage-Lärm.
Review von Giuliano BenassiAuf seinen ersten zwei Soloalben ließ es der ehemalige Gitarrist von The Coral eher ruhig angehen. Das ist nun vorbei. Als Studio dient nach wie vor das Kinderzimmer in seinem Elternhaus, doch diesmal kracht die E-Gitarre ordentlich.
Fast könnte man meinen, aus dem braven Jungen sei ein aufmüpfiger Teenager geworden, der seine Stereoanlage aufdreht. Doch so jugendlich Ryder-Jones auch aussieht, hat er die 30 mittlerweile überschritten. Zudem steht seine Musik nicht für Aufmüpfigkeit, sondern strömt aus den Tiefen einer geschundenen Seele: Er leidet an einer dissoziativen Störung, die dazu führt, dass die Wirklichkeit und deren Wahrnehmung gelegentlich auseinanderklaffen.
Musik als Eigentherapie, also. Das Video zu "Two To Birkenhead" zeigt ihn in seinem Kinderzimmer, im Haus der Eltern, am Strand, auf der Straße. Menschenleer, fast trostlos. Die einzige Gesellschaft ist seine Begleitband, die es in einer Garage krachen lässt. "You say desperate times call for desperate pleasures", singt er.
"Let's Get Away From Here", wiederholt Ryder-Jones fast schon hoffnungslos immer wieder zu ruhigen Arrangements, bevor er zum Schluss den Verstärker anwirft und die Wand durchbricht. In "Daniel" erzählt er die Geschichte einer gescheiterten Beziehung, eines verstorbenen Jungen, der nun dem Ozean gehört, und einer Depression. "Like some unopened birthday card, I keep you boxed in my own unwanted memories".
Dennoch ist "West Kirby County Primary" kein deprimierendes Album. Nachdenklich und melancholisch, aber nicht resigniert. Die verzerrten Passagen, die immer wieder einbrechen, wirken weniger bedrohlich als befreiend. "I try to keep from sinking / The words all come out wrong / But the bitterness is gone", singt er mit weiblicher Begleitung im ruhigen "Put It Down Before You Break It".
Die meisten Stücke haben sogar einen poppigen Touch. Dass er ein fähiger Songwriter ist, hat Ryder-Jones schließlich nicht nur in den Werken unter eigenem Namen und mit The Coral, sondern auch als Soundtrackautor unter Beweis gestellt. "You Can't Hide A Light With The Dark" könnte auch von den Arctic Monkeys stammen, mit denen er als Gitarrist auf Tour war, das letzte Stück "Seabirds" sorgt sogar für einen versöhnlichen Abschluss.
Dazwischen kommt das wuchtige "Satellites", "mein Libelingslied unter allen, die ich jemals geschrieben habe". "My satellite's took rust / I'm stranded in the dark", singt er. Und bedankt sich bei einer Ex-Freundin, die ihm zu helfen versuchte: "You saved me with the thought that something somewhere must be happening".
Ein persönliches Album, das von persönlichen Abgründen handelt. "Manchmal fand ich mich auf dem Sofa sitzend wieder und machte mir Vorwürfe nach einer durchzechten Nacht oder einer großen Party. Die meisten Texte sind in solchen Situationen entstanden. Ich habe mir überlegt, 'Worum geht es in meinem Leben? Was will ich überhaupt?'. Sie sind einfach aus mir geflossen."
"Es ist ein bisschen wie bei einem Fotoalbum. Auf manchen Bildern hat man eine beschissene Frisur, auf anderen ein Doppelkinn. Dann gibt es welche, auf denen man toll aussieht. Letztendlich bist es aber immer du." Eine Beschreibung, die zutrifft.
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