laut.de-Kritik
Von Conor Oberst zu James Blunt.
Review von Julia KindelJames Blunts härtester Konkurrent im überzuckerten Nasalgesang scheuert auf dem Grat zwischen eklig und süß erneut alle Saiten wund. Das mag garstig klingen, trifft aber leider den Kern: Zwischen dem heftig gefeierten "Quietly Happy And Deep Inside" und dem neuen Werk "Ursa Minor" liegen acht Jahre - und Welten. Björn Kleinhenz bewegt sich bereits seit 13 Jahren im Melancholie-Business und veröffentlicht nun seinen sechsten Langspieler. Von großen Conor Oberst/Arcade Fire-Vergleichen schlitterte er seit seinem letzten Werk direkt in die Singer/Songwriter-Klischee-Ecke und schmollt nun irgendwo zwischen James Blunt und Minor Majority.
Dies ist nicht der schlimmste Ort. Schade aber, dass seine Leichtigkeit und euphorische Erhabenheit scheinbar von der skandinavischen Dunkelheit komplett verschlungen wurde. Übrig bleiben melancholisch dahingenuschelte Songs, perfekt geeignet, um vor dem Kamin sitzend eine schwarze Katze zu streicheln. Wie dicke braune Karamellfäden träufeln die sanften Streicher- und Klavierklänge in die Ohrmuschel und vor lauter Honig am Maul winken schon Karius und Baktus in der Futterluke. Lange Vokale umschmeicheln die schleppende Grundgeschwindigkeit und gipfeln in abwechselnd schwermütigem und hoffnungsvollem Jaulen.
Nun ja, ein bisschen schön ist die Platte schon: Die massive Streicherwand mit seinen liebevoll gesetzten Percussions holt zum epischsten Rundumschlag aus, seit Menschen es schaffen, die Herrlichkeit einer umarmenden Federbettdecke zu vertonen. Die Songs laden dazu ein, tief einzuatmen, die Bronchien mit Luft zu fluten und jedes einzelne Lungenbläschen zu fühlen.
Die ausladende und breite Produktion zielt auf Tiefe. Charakter, sympathische Kerben und anregende Kanten bleiben dabei vollends auf der Strecke. "Ursa Minor“ möchte das perfekte Winteralbum sein, schafft aber nicht den Sprung über die zarte Schneeflöckchenzeit, sondern leiert schnell aus. Der auf fast 44 Minuten aufgeplusterte Zuckerschock dürfte selbst den hartgesottensten Träumern den Gaumen verkleben.
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