laut.de-Kritik
Schwarze Messe und Geburtsstunde des Heavy Metal.
Review von Ulf KubankeBirmingham; 16. Oktober 1969: Die bleierne Glocke verheißt Unheil und Verdammnis. Tonnenschwere Riffs bahnen sich in Zeitlupe den Weg ins Hirn williger Hörer. "What is this that stands before me?" Eine schwarze Messe und zugleich die Geburtsstunde des Heavy Metal! Es wäre schon unfassbar, hätten Iommi und Co den ewigen Burner "Black Sabbath" an nur einem Tag eingespielt. Doch es kommt weit magischer: Sie nehmen tatsächlich das gesamte gleichnamige Debütalbum in knappen zwölf Stunden auf. Selbstredend veröffentlichen sie das gute Stück später an einem Freitag den 13. Sabbath, blut'ger Sabbath!
"The Ultimate Collection" steht mithin ganz im Zeichen ihrer musikhistorischen Bedeutung. Die gelungene Werkschau konzentriert sich voll und ganz auf die Pionieralben mit Ozzy Osbourne am Mikro. Ihr wegweisendes Erstlingswerk etwa ist nahezu komplett vertreten. Auswahl wie Reihenfolge sind kein Zufall. Die Compilation orientiert sich bewusst an der Setlist ihrer bis 2017 laufenden Abschiedstour. Schöner Gag und gut getimter Service für Fans wie Neulinge. Als Formate gibt es CD, MP3-Pakete und das liebevoll gemachte Vinyl-Boxset auf vier LPs. Die ansprechende Tonqualität greift auf die 2009 angefertigten Remaster-Tapes zurück.
So weit, so gut. Doch richtig spannend wird es erst, wenn man diese 31 Songs zumindest mit einem Ohr aus der Zeit heraus belauscht. So gut wie jeder Song hat Musikgeschichte auf dem Kerbholz. Teils als Anekdote, teils als essentieller Einfluss, ohne den Weiterentwicklung durch Nachfolger wie Iron Maiden, Metallica oder Subgenres der Marke Doom oder Thrash nicht einmal entfernt denkbar wären.
So macht es großen Spaß, sich hiermit auf Spurensuche zu begeben. Den berühmten SlowMo-Kloppern steht beispielsweise das – für die damalige Zeit ultraschnelle - "Symptom Of The Universe" ("Sabotage" 1975) gegenüber. Zu Recht gilt es als prähistorischer Prototyp, aus dem sich einige Jahre später die Speed- und Thrash-Generation schälte. Alles sehr oldschool, ohne auch nur eine Sekunde lang altbacken zu wirken.
Textlich sind Black Sabbath – auch dank Geezer Butler – nie auch nur in der Nähe dumpfer Stereotypen. "N.I.B." ist so ein Augenblick, in dem Black Sabbath mit typisch britischem Augenzwinkern sogar dem Leibhaftigen eine lange Nase zeigen. Statt luciferischer Verneinung mutiert der Teufel zum verliebten Narren und zu einer liebenswert gutherzigen Person. "Some people say my love cannot be true..." Als Kirsche auf der Satanstorte kredenzt Butler zu Beginn ein Bass-Solo. Auch dies ist ein besonderer Moment. War es vor 1970 doch mehr als unüblich, ein Rockstück auf solche Art zu eröffnen.
"Sweet Leaf" ("Masters Of Realitiy", 1971) geht ebenso als echter Meilenstein des Rock durch. Ohnehin ist es schon eine gute Pointe, Iommis Husten – bewirkt durch einen von Ozzy gereichten Joint – als Effekt zu loopen. Inhaltlich hat das schöne Lied gleichwohl deutlich mehr auf der Metal-Pfanne. Es fungiert als frühe Initialzündung späteren Stoner- und Alternative Rocks. Die Butthole Surfers etwa basteln daraus ihren Referenzsong "Sweet Loaf". Und die Red Hot Chili Peppers bauen das Kernriff in ihren Kulttrack "Give It Away".
Für die Freunde gehobener Balladenkunst hält die Compilation "Changes" ("Vol. 4" 1972) bereit. Fernab jeglichen Kitsches verarbeitet das Lied die schmerzlichen Erfahrungen Bill Wards, dessen erste Ehe in dieser Phase zerbrach. Neben Iommis prägnantem Piano beeindruckt hier vor allem Ozzy mit inbrünstig gesungener Emotion. Wer nach all diesen bärenstarken Stücken so richtig angefixt ist, dem empfehle ich ein Weiterhören mit ihrem zweiten Alben "Paranoid" sowie dem tollen Spätwerk "13".
3 Kommentare mit 9 Antworten
Das Spätwerk "13", vom Songwriting her mehr als überzeugend, ist ja nun in Sachen Produktion und Mastering eine ziemliche Katastrophe (Rick Rubin halt). Leider auch auf Vinyl.
Deshalb nun meine Frage: wie klingt diese Compilation auf Vinyl?
Das würde mich auch sehr interessieren!
"The Headless Cross" is so criminally underrated. Besser als 13, eines der besten Hardrock-Alben der späten 80er.
Guter Witz.
the headless cross ist in der tat auch sehr gut. tyr nicht ganz so. tony martin ist stimmlich auch ein guter. volle zustimmung. aber im vergleich zu "black sabbath" oder den dio-sachen wie die frühe 80er-scheibe "heaven and hell", ist er dann doch nur die bronze-medaille.
Natürlich kein Witz. Leute mit Ahnung sind nicht witzig.
Das heißt aber noch lange nicht, dass jeder, der nicht witzig ist, Ahnung hätte.
Stimmt, solche Leute kenne ich auch nicht. Headless einer der Sabbath-Klassiker, sie trifft den Nerv zwischen schweren Riffs, catchy Refrains
und 80er Hardrock-Leichtigkeit. Und Martin singt um sein Leben. Kein Ozzy-Charisma, aber gesangstechnisch total krasser Stuff, wie ich finde. Werde mal alles weitere anchecken.
ja, deshalb auch die bronze-medaille für martin. er macht es besser als ian gillan auf "born again", der so gar kein sabbath-feeling transportiert.
glenn hughes finde ich auch ganz interessant auf der außenseiterposition ("seventh star"). das ist zwar total aor für iommis-verhältnisse. aber gut gemacht....no stranger to love....
ja. ja ich weiss. stilprägend und maßgeblich für 45% der musik, die ich höre. die anderen 55% sind tatsächlich hank williams. aber ich mache drei verfickte (richtig gedrehte) kreuze, wenn ich "osbourne" von der liste streichen kann
ozzy ist doch knuffig
Mir persönlich gefallen die Sachen mit Ozzy allerdings deutlich besser als die mit Dio oder den anderen, die es nach Ozzys Ausstieg am Micro versucht haben. Allenfalls ein paar Sachen des Heaven & Hell-Albums stechen da raus.
Wobei: "The Devil you know" ist ein Kracher!