laut.de-Kritik

Als habe man die Dap Kings in der Cypher.

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Inhaltslos schimpft man Hip Hop seit die Sugarhill Gang "stop" auf "hop" reimte. Mittlerweile auch schon schlappe 30 Jahre her. Seitdem bestätigen Ausnahmen die Regel: Hip Hop war und ist in der öffentlichen Wahrnehmung inhaltsleere Unterhaltungsmusik.

Manchmal kann aber selbst Max Mustermann nicht die Augen vor der Wahrheit verschließen. Manchmal gibt es Hip Hop-Alben, die musikalisch wie inhaltlich aus allen Nähten platzen. Blitz The Ambassadors "Stereotype" liefert dafür ein schwergewichtiges Beispiel: Live-Produktionen mästen mit akustischem Volumen alle Tonspuren, tiefgründige Lyrics sprengen durch die direkte Relevanz die Waage. Blitz The Ambassador ist The Roots solo.

Der Wahl-Brooklyner mit Wurzeln in Ghana versucht seit Jahren im amerikanischen Hip Hop-Zirkus Fuß zu fassen. Bis dato relativ erfolglos. Wenn es ihm mit "Stereotype" nicht gelingt, dann ist die breite Masse - man muss ja leider sagen, einmal mehr - wirklich selbst schuld. Blitz' drittes Album strotzt vor Energie, vor Hip Hop. Mitsamt jedweder positiven Konnotation aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Der Musiker (!) packt das eigene Selbst in einen musikhistorischen Kontext; er samplet die Kultur. Am offensichtlichsten belegt durch "Hands Of Time": An der eigenen Biografie hangelt er sich durch die Hip Hop-Historie und lässt das sogleich von seiner Live-Band mit den jeweils passenden Instrumentals unterlegen.

Mit seinem Embassy Ensemble hat Blitz den stärksten Trumpf im Ärmel: Drückende Drums, voluminöse Bläser, Live-Bass, E-Gitarren - alles lässt den Computer links liegen und wabert direkt ohne digitale Umschweife ins Ohr. Gleich bei den ersten beiden Stücken "Breathe" und "Something To Believe" glaubt man bereits, man habe die Dap Kings in der Cypher.

"Ghetto Plantation" klampft unpeinlich herzzerreißend die lateinamerikanische Akustik-Gitarre und bettet Blitz' Gedanken über die soziale (Un)Gerechtigkeit. Zusammen klingt das weder anbiedernd weltmusikalisch noch weltverbesserisch.

Im Dilla-Gewand geht es traditionell Sample-lastig gen "Home", mitsamt warmen Saxophon und den Lyrics eines besorgten Weltbürgers. Blitz selbst liefert sogleich die Erklärung für derart existentielle Musik-Vorstellungen: "You know I grew up in Ghana, listening to Hip Hop was my only escape."

"Remembering The Future" vergisst sich in sieben-minütigem Jam-Format in Tempi-Wechsel und Wohlfühl-Brass Sections völlig. "B-Boy Massacre" überschlägt sich in B-Boy-Drums, gecutteter Hook und verrückt gewordenem Rhodes-Lauf.

Bereits im angejazzten Intro spricht Blitz auf Kontrabass und Piano seine angestrebte Zielgruppe direkt an: "I do this for you. Brooklyn, Kingston, Brixton, Madrid, Tokyo, Soweto, Atlanta, Sao Paulo. I do this for you. This is for the world. I'll be the ambassador, so sing along!" Jetzt müssten die es halt alle nur noch checken.

Trackliste

  1. 1. Prelude
  2. 2. Something To Believe
  3. 3. Breathe feat. Rob Murat
  4. 4. B-Boy Massacre
  5. 5. Lover's Remorse feat. Rick Bartlett
  6. 6. Instrumentalude
  7. 7. Home
  8. 8. Ghetto Plantation
  9. 9. Revival feat. Hypnotic Brass Band
  10. 10. Dying To Live feat. Tarrey Torae
  11. 11. Nothing To Lose feat Kate Mattison
  12. 12. Beyond The Clouds feat. J. Ivy
  13. 13. Remembering The Future
  14. 14. Hands Of Time
  15. 15. Goodbye Stereotype

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