laut.de-Kritik

Im Alter darf man auch mal nach Engelbert klingen.

Review von

Rock'n'Roll ganz alter Schule wie einst Little Richard, die klassische Power-Ballade und der melancholische Midtempo-Groover: Wer Bob Seger ein bisschen Böses will, wertet sein ganzes Schaffen als ewige Wiederholung dieser drei Stile. Wer jedoch den "Boss für Bodenständige" liebt, teilt diese Meinung von Herzen. Das klingt widersprüchlich? Abwarten, Whiskey trinken und mit "Ride Out" sein erstes Album seit acht Jahren im Ford Focus pumpen.

Ja, genau Ford. Diente bereits Bobs "Like A Rock" - trotz seiner durchaus linksdemokratischen Einstellung - Mitte der Achtziger als Autowerbung, so stellt er sich auch dieses Mal in schweren Zeiten bereits beim Opener in den Dienst der Stadt. Der Rock'n'Roller "Detroit Made", siehe Stilvariante eins, rast voller positiver Energie über die löchrigen Straßen Michigans und soll das Selbstbewusstsein der gebeutelten Stadt stärken.

Bob rockt und rollt auf "Ride Out" ziemlich viel. Egal, ob "Hey Gypsy", der Titeltrack mit Cowbell und Trompeten oder der Country-Feger "The Fireman's Talkin'": Das viele Touren hält anscheinend vital. Leider haben die unzähligen Shows der Stimme eher geschadet. Sie drückt nicht mehr ganz so kraftvoll durch die Boxen und braucht recht oft Unterstützung von weiblichen Background-Chören.

Trotzdem umarmen einen besonders die drei Midtempo-Songs (Style zwei) und geben Hoffnung wie zu besten "Against The Wind"-Zeiten. "California Stars" war einst von Woody Guthrie geschrieben und von Wilco und Billy Bragg 1998 musikalisch umgesetzt worden. Bob hörte diee Version im Radio und coverte den verletzlichen Track auf seine ureigene, massenkompatible Lonesome Highway-Weise.

"All Of The Roads" dagegen schafft es dank großer Melodie gar in den elitären Kreis seiner Klassiker um "Roll Me Away", "Beautiful Loser", "Against The Wind" oder "Still The Same", während Bob im zarten Akustik-Klampfer "Listen" seinen Fans tröstend die warme Decke umlegt und sie ganz feste drückt ("I'm always here for you / until you find your way"). Ganz klar die Höhepunkte des Albums.

Fehlt von den drei Seger'schen Soundvarianten nur noch die Powerballade. Zwar erreicht er mit "You Take Me In" durchaus die Herzregion, doch sein Weihnachts-Schlager auf "Gates Of Eden" gerät dann doch eine Nummer zu Engelbertig. Aber, hey: Im Alter darf man das.

Überhaupt geht der Rocker sonntags nun wohl häufiger in die Kirche: Er interpretiert auf "Ride Out" oft Bibel-Verse und Geschichten in einer Klarheit, die man vorher nicht in Segers' Sound fand ("Adam And Eve"). Und im bluesigen Schunkler "The Devils Right Hand" äußert er sich anhand eines Gleichnisses kritisch zu Knarren, ohne jedoch ganz eindeutig Stellung gegen das Waffenrecht Stellung zu beziehen.

Das kurzweilige, sympathische, aber nur ab und an überragende Album endet mit "Let The Rivers Run" als alles umarmendes, hymnenhaftes Finale. Wie das superbe "The Famous Final Scene" vom 1978er-Album "Stranger In Town" ein Abschluss, der vielleicht auch Bobs musikalisches Ende ankündigt. "Let the rivers run / from the great device / I will stay with you / I will be by your side / When we reach the end / when the words are done / Let us listen well when the rivers run." Oder wie Keimzeit einst auf "So" sangen: "Lass es laufen den Berg hinunter. Lass es laufen durchs Tal. Gott hat dem Fluss diesen Weg gegeben, Sicher tut ers nicht noch mal."

Trackliste

  1. 1. Detroit Made
  2. 2. Hey Gypsy
  3. 3. The Devil's Right Hand
  4. 4. Ride Out
  5. 5. Adam And Eve
  6. 6. California Stars
  7. 7. It's Your World
  8. 8. All Of The Roads
  9. 9. You Take Me In
  10. 10. Gates Of Eden
  11. 11. Listen
  12. 12. The Fireman's Talkin'
  13. 13. Let The Rivers Run

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