laut.de-Kritik
Der wahre Held im Hirsefeld.
Review von Sven KabelitzSobald es gilt, eine Lösung für Probleme in der fernen Welt zu finden, scheint für Amerika Verwestlichung oft die einzige Alternative zu sein. Über ein bestehendes Gefüge wird, ohne die Frage nach der passenden Konfektionsgröße zu stellen, das System von der Stange gestülpt. Spätestens mit dem Aufbau der ersten McDonald's Filiale sollte man das gröbste überstanden haben. Doch ganz so einfach tickt unser Globus dann doch nicht. In seinem eigenen kleinen Universum muss dies nun auch Bombino erfahren, der sich für "Nomad" mit dem Black Keys Sänger und Gitarristen Dan Auerbach zusammengetan hat.
Während Dr. John auf "Locked Down" unter der Produktion Auerbachs erblüht, zeigt sich der Nigrer Bombino eingeschnürt. Die Aufnahmen zu "Nomad" fanden respektvoll und überwiegend live in Nashville statt. Doch nach dem hervorragenden und absolut empfehlenswerten Longplayer "Agadez" (Anhören! Jetzt! Sofort! Los!) bleibt Bombino heuer seltsam eindimensional. "Nomad" weisst viele außergewöhnliche Momente auf, doch erstmals steckt Saharasand im Getriebe.
Bereits die ersten Afro-Blues-Töne von "Amidinine", wie "Imuhar" bereits in traditionellerer Version auf dem spröden Group Bombino-Album "Guitars From Agadez, Vol. 2" enthalten, machen klar wer auf "Nomand" der wahre Held im Hirsefeld ist. Das geschickte Gitarrenspiel von Bombino, das zwischen dem schlanken Zupfen von Mark Knopfler und den rauen düsteren Neil Young pendelt. Die Anziehungskraft seiner übereinandergelegten Riffs lassen über die gesamte Spielzeit nicht nach.
Eine ganze druckvolle Gitarrenwand steht in "Azamane Tiliade" dem Gesang von Omara "Bombino" Moctar, weiterhin in seiner Heimatsprache vorgetragen, entgegen. Immer wieder lassen kleine zwischengeschobene Soli die Gitarre zwischen höchsten Höhen und den brummenden Tiefen des "Dead Man"-Soundtracks pendeln.
Viel zu selten zeigt das Mitglied des Ifoghas-Stammes der Tuareg, dass er auch anders kann. Der Nachhall einer Lap-Steel-Gitarre durchzieht die Dünen in dem in sich versunkenen Blues "Tamiditine". Das hypnotische heruntergefahrene "Imidiwan", das über einen Boxenstopp in der Wüste erzählt, wirkt wie ein Gedicht. Ein Moment der Isolation, ohne Wasser aber voller Nostalgie. Allein mit sich selbst, voller Harmonie und Fokussierung. "Imidiwan" trägt dieses Gefühl in sich, glänzend wie eine Luftspiegelung.
Auerbachs Übermacht zeigt sich am deutlichsten im Instrumental "Niamey Jam". Zwar einer der besten Tracks, hat er mit der ursprünglichen Musik Bombinos nur noch am Rande zu tun. Fast über ganz "Nomad" werden dem Gitarristen zu seiner eigentlichen Band eine komplette Zweitbesetzung aus diversen Amerikanern und Deutschen zur Seite gestellt. In wie weit sie ansonsten ins Geschehen eingreifen, bleibt ein gut behütetes Rätsel. Doch während der Gitarrist munter in seine Saiten haut, vollzieht sich in diesem Jam eine friedliche Übernahme. Nur Schlagzeuger Ibrahim Atchinguil Emoud wehrt sich tapfer, Bassist Kildjate Moussa Albade darf ein wenig auf die Kuhglocke hauen. Gut versteckt gibt es anstelle von Kilishi wieder nur BigMac und Chicken McNuggets aufgetischt.
Wie so viele vor ihm findet sich der mächtige Baum Omara "Bombino" Moctar, dass große Talent aus Niger, plötzlich fern der Heimat auf ungewohntem Boden wieder. Benommen von der langen Reise taumelt er noch ein wenig. Ob es ihm gelingt, hier neue Wurzeln zu schlagen, kann nur die Zukunft zeigen. "Nomad" bleibt eine eindeutige Antwort schuldig.
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