laut.de-Kritik

Ehrlichkeit und Gefühl in geborgener Wohnzimmer-Atmosphäre.

Review von

"Du hast nicht viel Gepäck, nur ein paar Träume. Das Gegenteil von Ballast sind drei alte Freunde. Und die Aussicht ist gut, und der Sommer kommt wieder. Die Mädchen der Stadt verlieren ihr Wintergefieder." So positiv wie in "Du Federst" klingt Bosse nicht immer. Sanfte Melancholie beherrscht das vierte Album des Hamburgers. Aber zwischen den Zeilen schwingt immer ein großes Stück Hoffnung mit.

Der Songwriter beobachtet das Leben sehr genau und gibt es ebenso genau wider. Was er sagt, stimmt irgendwie. Es fühlt sich einfach richtig an. Wenn Bosse von Liebe, Schmerz, dem Leben, der Zeit oder dem Zufall singt, wirkt das nicht abgedroschen und klischeehaft, sondern einfach nur schön und sehr intim. Bosse wählt mit viel Bedacht die richtigen Worte. "Nur das Glück kennt die Zeit nicht. Der Augenblick kennt kein gut und schlecht."

Bosse klingt genauso melancholisch wie schon auf "Taxi". Moll-Akkorde, Streichermelodien und Piano dominieren die Platte zu weiten Teilen. Fast schon wie Coldplay baut er hymnenhafte Popsongs mit großen und eingängigen Melodien. Die Stadion-Mentalität der Briten erreicht er freilich nicht, dafür aber eine geborgene Wohnzimmer-Atmosphäre. Man fühlt sich wohl, möchte einfach nur da sitzen, sein Bier trinken, zuhören und zu den Texte bejahend nicken. Das ist es, genauso fühlt es sich an, denkt man dann.

Immer wieder beschleicht einen das Gefühl, hier singe Clueso. Und tatsächlich sind sich die beiden sehr ähnlich. Die ruhige Stimme, die Stimmung und zum großen Teil auch die poppige Musik. Bosse fällt aber ein gutes Stück rockiger aus als der Erfurter. Da dürfen die Gitarren ruhig ein bisschen verzerrt sein und das Schlagzeug nach vorne treiben. Wer Clueso gern hat, liegt bei Bosse aber definitiv nicht falsch.

Der Hamburger verbindet Text und Musik fast perfekt miteinander. "Roboterbeine" stampft genauso automatisch wie der Protagonist im Song. "Du Federst" schwingt fröhlich groovend im Shuffle-Rhythmus. Und wenn sich in "Yipi" ein Paar wieder versöhnt hat und gemeinsam "Yipi Ya Yeah" singt, ist das nicht fröhlich ausgelassen. Es ist eher zaghaft zurückhaltend, weil man einfach noch zu große Angst hat, die Probleme könnten wieder kommen.

"Wartesaal" hat, was es so selten in der Casting-verseuchten Pop-Welt gibt: Ehrlichkeit, Intimität und Gefühl.

Trackliste

  1. 1. Wartesaal
  2. 2. Weit Weg
  3. 3. Metropole
  4. 4. Die Nacht
  5. 5. Nach Haus
  6. 6. Du Federst
  7. 7. Wende Der Zeit
  8. 8. Die Regie
  9. 9. Roboterbeine
  10. 10. Frankfurt Oder
  11. 11. Yipi
  12. 12. Nächsten Sommer

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