laut.de-Kritik
Coldwave und Clubsounds als hypnotischer Tanz zwischen Film und Klang.
Review von Kerstin KratochwillDas Duo Boy Harsher aus Massachusetts besteht aus der Sängerin Jae Matthews und Synthplayer sowie Produzent Augustus Muller: Die beiden legen nun nach zwei Alben nicht nur ein drittes Werk, sondern auch einen eigenen Horrorfilm mit dem gleichnamigen Titel "The Runner" vor, das wie die Vorgänger vor Coolness nur so klirrt.
Schon der Opener ihres letzten Albums "Careful" klang wie der Vorspann zu einem Science-Fiction-Film, wenn Boy Harsher ihren unterkühlten Coldwave-Sound mit dreckigen Synthfetzen und tieffrequenten Klängen nähren. Kein anderer Electro-Act versteht es so gut wie dieses Pärchen, mit minimalen Klängen einen ganzen Club zum maximalen Ausrasten zu bringen.
Wer die beiden schon einmal live erlebt hat, weiß was gemeint ist. Während Muller mit stoischen Bewegungen an seinem spartanischen Retro-Instrumentenset spielt und die Aura von Acts wie DAF oder Malaria! verbreitet, wirft einen die verführerisch verschleppte Stimme von Matthews geradezu um. Boy Harsher spannt so den Bogen des Minimal Waves der Eigthies zu aktuellen Kollegen wie Lebanon Hanover, Minuit Machine oder Cold Cave und friert damit die Gegenwart regelrecht ein.
Auch auf dem Soundtack "The Runner" bleibt dieser düstere Club-Charakter erhalten, in dem Nebel und Strobo vor dem geistigen Auge erscheint, aber auch ohne den Film selbst gesehen zu haben, blitzt eine Ahnung des mysteriösen Kurzfilms auf, den das Duo selbst geschrieben, produziert und inszeniert hat. Geschrieben während des Corona-Wahnsinns und dem privaten Schreckensszenario einer diagnostizierten MS-Erkrankung von Matthews, als an Touren und Club-Sounds nicht zu denken war, entstanden die Skizzen zu dem Film, in dem eine unheimliche Frau, die durch einen Wald rennt, im Zentrum steht.
Am Anfang steht dabei im Film und auch im Soundtrack der starke Track "Tower", der eine pulsierende Beschwörung des Kommenden ist und mit den verzweifelten Schreien im Gesang eine lynchesque Atmosphäre kreiert. Die weiteren Stücke sind perfekter Düster-Pop und Dark-Wave, der mit unheimlichen Instrumental-Interludes und unheimlich guten Gastsänger*innen – beispielsweise Mariana Saldaña der Band BOAN auf dem Hi-NRG-Hommage-Track "Machina". Die Mensch-Maschine Boy Harsher läuft jedenfalls wieder wie geschmiert, inklusive einem pulsierenden drängenden Innenleben.
1 Kommentar mit einer Antwort
Ist grundsolide und ziemlich gut, was die beiden machen. Aufregend isses außerhalb von 80er-Wave-Retro-Parties überhaupt nicht. Vielleicht trauen sie sich beim nächsten mal etwas.
Wäre schön. Ist aber ein Soundtrack. Denke, sie haben sich deshalb etwas zurückgenommen.
Aus der Ecke sind WHISPERING SONS meiner Meinung nach unerreicht.