laut.de-Kritik
Ein rockiges Album, auf dem Kurt Weill-Kompositionen keinen Platz mehr finden.
Review von Michael Schuh"As Time Goes By" nannte Bryan Ferry sein letztes Solowerk, das auf wunderbare Weise die 30er und 40er Jahre wieder aufleben ließ. Kurze Zeit später fand sich der charmante Crooner mit Vorliebe für schneeweiße Anzüge in den 70ern wieder. Zusammen mit den betagten Roxy Music-Freunden zettelte er eine Welt-Tournee an, für die sich nur Roxy-Mitbegründer Brian Eno zu schade war.
Das Abspulen der größten Hits scheint Spuren bei Ferry hinterlassen zu haben. "Frantic" ist ein rockiges Album geworden, auf dem Kurt Weill-Kompositionen keinen Platz mehr finden. Das Covern kann er indes nicht lassen. Den Anfang macht der äußerst schwungvoll arrangierte Dylan-Klassiker "It's All Over Now Baby Blue", bei dessen Beginn man glauben könnte, eine 60er Scheibe von Van Morrison eingelegt zu haben; so herrlich trocken tröpfelt der Bass.
An Gaststars herrscht auch kein Mangel. Roxy Music-Drummer Paul Thompson betrat nach 20 Jahren wieder ein Studio mit dem Sänger und mit Dave Stewart ist ein Co-Writer mit dabei, der als Ideengeber gerade Marianne Faithfull zum Comeback verhalf.
Ein Ergebnis jener Kollaboration ist das angeblueste "Cruel", ein uplifting Sommerhit in unnachahmlichem Roxy-Format, den ich der sehr poppigen Marilyn Monroe-Widmung "Goddess Of Love" vorziehe. Recht cool vergreift sich Ferry nach etlichen Vorgängern (z.B. Jeff Beck Group) am Standard Blues von "Goin' Down", Mundharmonika inklusive. Die darf in "Don't Think Twice, It's All Right" alleine das Piano begleiten.
Die Kunst, eigene Kompositionen mit Coverversionen zu vermischen, ohne dass Brüche entstehen, beherrscht Bryan Ferry seit langem. Wenn der Hörer bei seiner Komposition "A Fool For Love" insgeheim denkt, es handele sich um eine Oldie-Ballade aus dem Blues-Genre, ist das ein großes Kompliment. Im elegischen "Hiroshima" kämpft Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood gegen die kitschig süßen Keyboards Brian Enos an.
Ja, Eno. Auch wenn er hinterm Rücken über das Reunion-Kapitel seiner Kumpels lächeln dürfte, schrieb er mit Ferry erstmals wieder einen Song zusammen. "I Thought" ist eine gemütliche Popnummer, die genauso klingt, wie ein Song wohl klingen muss, wenn zwei wieder versöhnte Mitfünfziger auf eine lange Karriere mit so manchen persönlichen Schwierigkeiten zurück blicken. As Time Goes By. Jenes Werk erschien gerade erstmals auf Vinyl. Man greife zu beiden Alben.
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