laut.de-Kritik
Das brettert, weint und schreit: Bum, wir sind zurück!
Review von Philipp SchiedelAch je, es tut so gut. Inmitten lauter Anzugträger und Off-Beat-Fetischisten kommen hier vier mittelmäßig aussehende Herren aus dem tiefsten Idaho (zwei davon mit Vollbart) und beginnen mit einem acht Minuten und 42 Sekunden langen Track. Der brettert, weint und schreit: Bum, wir sind zurück!
Danket auf Knien. Nach fünf Jahren Pause sind Built To Spill wieder aus dem Olymp des Alternative Rock zu uns herabgestiegen. Eine Band, die wie nur wenige andere den Weg für Indie und verquere Gitarren freigemacht hat, die in den Neunzigern wahnsinnig gute Platte ablieferte (allen voran "There's Nothing Wrong With Love" - jeder Song ein Volltreffer) und mit Doug Martsch ihren zentralen, genialen verschrobenen Kopf als Indie-Rolemodel hat.
"You in Reverse" heißt das gute Stück, und das, obwohl der Name die Situation der Band eigentlich nicht wirklich trifft. Denn das Gegenteil von Built To Spill ist diese Platte sicher nicht. Auch wenn Martsch sagt, dass er keine Ahnung gehabt habe, welche Art von Musik die Band nach dieser langen Pause nun machen werde: viel Neues ist es nicht. "You In Repeat" hätte da besser gepasst.
Schwamm drüber. Gerade weil diese Platte alle Register des bekannten Built To Spill-Kosmos zieht, wird dabei das Herz jedes Neunziger-Indie-Rockers bluten. Die Band stellt ihre Gitarren wie gewohnt auf Scheppern, knackt in fast jedem Song die fünf Minuten-Marke mit Leichtigkeit, und Doug Martsch quäkige Stimme gibt einem dem Rest, um in Nostalgie zu schwelgen.
In "Conventional Wisdom" feuern die fröhlichen Licks und die abgedämpft geschrubbten Akkorde wie in den guten alten Zeiten. "Gone" und "Liar" sind zwei weitere wunderbar tragische Lektionen zum Thema "Leiden mit Doug Martsch". Und natürlich findet Martsch auch wieder das Gute im Solo. Vorbildlich beschert er seinen Fans in nahezu jedem Song mindestens einmal ein köstliches und minutenlanges Abgegniedel seiner Gitarrensaiten und nennt solche Songs dann auch noch "Just A Habit".
Auf den aktuellen Promo-Bildern sieht Doug Martsch wie jemand aus, der gerne mal verwirrt durch Großstädte läuft. In etwa so wie seine neueste Platte: groß, versponnen, ausufernd und schräg. Aber tief in seinem Vollbart trägt er ein großes Herz für qualvoll vorgetragenen Melodien und herrlich verspielte Gitarren, die jauchzen, fauchen und sich quälen.
Trotz der langen Pause haben er und seine Bands nichts verlernt. Nicht nur Sonic Youth zeigen seit eh und je, dass man auch im hohen Alter auf seinem Terrain hervorragende Platten machen kann, ohne mit zu vielen Genre-Experimenten oder ähnlichen Selbstzerstörungs-Trips doch nur zu nerven.
Auf "You in Reverse" ist wieder einmal das weite Ausholen der Hauptprogrammpunkt. Herzlichen Glückwunsch zu diesem eindrucksvollen Comeback und zu einer der besten Platten der dreizehnjährigen Bandgeschichte.
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