laut.de-Kritik

König Anis von Tempelhof und Dubai schimpft aus dem Fenster des Burj.

Review von

"Rex In Aeternum" war Bushido als Titel zu sperrig - beziehungsweise nicht ihm, er äußerte mangelndes Vertrauen in die Sprachfertigkeit seiner Kundschaft. "König Für Immer" geht ja aber auch leicht über die Lippen. Das Cover legt etwas unglücklich nahe, dass die besten Zeiten des Königs vorbei seien. Dabei muss man Bushido lassen, dass er hin und wieder Duftmarken setzte, mit denen man nicht mehr gerechnet hatte. Das Thema von "König Für Immer" ist schnell identifiziert: Der Anis wohnt jetzt in Dubai. Das wird mit zahlreichen Wüsten-, Sand-, Reichtums- und Glitzeranspielungen verdeutlicht sowie vielfach direkt angesprochen.

Wie jeder gute Witz baut "König Für Immer" damit eine Fallhöhe auf. Denn der König im Exil muss nun natürlich erklären, warum seine Entscheidung für eben dieses Exils eine ganz mutige und souveräne war, warum er seine Untertanen nicht etwa in Stich ließ, und warum der Schutz seiner Familie so am besten zu bewerkstelligen war - obwohl er "die Fotzen", und von denen gibt es auf diesem Album viele, auch so locker weggesteckt hätte. Und das vielleicht immer noch tut, wenn er mal auf Heimaturlaub ist. Sofern er auf jenem Deutschlandbesuch nicht gerade ins Hotel "flieht", wie er der Boulevardpresse steckte, weil die Gören im Tourbus so laut waren. Dass er dann noch unter anderem platzierte, wie viel er in Dubai für die Kita zahlen müsse, erzeugt beim Hören der hyperaggressiven Passagen des Albums eher Mitleid, so offensichtlich verzweifelt demonstrativ gewalttätig um street cred bemüht tritt Sonny auf.

Das Topos des Umzugs reitet Ferchichi gleich auf dem Opener "Burj Khalifa" wie im Kamelrennen überfallartig überdeutlich. Soll keiner sagen, er würde den Szenenwechsel verstecken! Das Überkompensieren für diese offensichtlich eigentlich nicht mit seinem Weltbild in Einklang zu bringende Schwäche ("Meine Festung / halte die Stellung", "Rex In Aeternum") kostet die erste Mutter direkt nach Beginn schon einen Koks-Mercedes-Fick samt anschließender Weitergabe an Bushidos "Jungs". Zum einen überrascht das sehr frühe und völlig ansatzlose Rekurrieren auf die Bushido-Dreifaltigkeit Koks-AMG (ich gehe mal davon aus, dass der Mercedes einer sein muss, wäre sonst vermutlich zu schwul-gefährdet)- Mütterficken, zum anderen stößt man instinktiv hervor: Welche Jungs eigentlich, Bushido? So viele gibt es nicht mehr von denen. Vielleicht meint er Gorex, von dem man gar nicht mehr so viel hört - angesichts seiner Diskographie verschmerzbar - und der hier um die Hälfte der Stücke mitschrieb und das Album teils mit dem ebenfalls im Bushido-Kosmos bekannten Alex Dehn produzierte.

Die beiden verantworten auf "König Für Immer" mit seinen 24 Tracks drei Dinge: Vom Rest der Songs losgelöste Hi-Hats, bedrohlich dröhnenden Bass und vor allem mehr eine absurde Anzahl an Streichern, die sich wie auf "Thron" gerne mal so matschig anhören wie aus einem Imagefilm für Karls Erdbeerhof. Vier Fünftel der Titel kombinieren diese drei Mittel in einem Mid-Tempo ohne viel Variation.

Das ist der eine Hauptgrund, warum "König Für Immer" ein langweiliges Album ist, denn in dem anderen Fünftel toben sich kitschige Schlagerrapsongs, die der "Rapper" seiner Familie widmet und für die sich selbst Sido zu schlimmsten Zeiten geschämt hätte. Der andere Grund ist Bushido selbst, der auf den unsäglich schwachen ersten drei Songs des Albums eine Delivery nahe am Schlaganfallverdacht liefert. Die bessert sich erst ab "Frontline", das aber im Beatgemisch besonders fad gerät.

Die Delivery bessert sich gottlob im Verlauf des Albums etwas (kommt aber bei "Süchtig" zurück, wo Black und der unfähige Loloo den Song zusammen absaufen), trotzdem gibt es nur sehr wenig Tracks, auf denen der MC irgendeine Variation in Tempo oder Tonlage oder eine Emotionalität findet, außer einer penetranten Weinerlichkeit (höre: "Gebetet" und "Morpheus"). Da sticht "Dark Knight" schon hervor, weil der Berliner Capital Bra so glaubwürdig hasst wie die deutsche Lohnsteuer. Oft pendeln Beat und Vortragender sich in einem Mid-Tempo-Waffenstillstand ein, bei dem keiner den anderen herausfordert. Außer dem Capi-Diss werden nur wenige angerissen, und das sind meist völlig unbekannte oder wie Bonez völlig irrelevante Gestalten. Sie nehmen prozentual eh nur einen geringen Anteil ein, meist schimpft Bushido aus dem Fenster des Burj, ohne dass ihn jemand hörte oder er jemanden meinte.

Das Platzhirsch-Gehabe bekam selbst Ice Cube lyrisch kaum in den Griff, Bushido scheitert daran, je mehr er von sich selbst erzählt, denn außer Wüste und Fotze (und seiner Frau, die ist scheinbar keine) fällt ihm zu sich selbst wenig ein ("Ich sage, dass ihr Fotzen seid, aufgrund dessen dass ihr Fotzen seid", "Petrichor"), nicht mal der gute alte "Sand in der Vagina"-Witz aus South Park, obgleich der doch so nahe läge. Eine glaubhafte Distanz zu anderen Rappern gelingt ihm eigentlich nur dann, wenn er von jungen Generationen schimpft und deren offensichtliche Brüche, wie ihr dämliches TikTok-Gewichse, lächerlich macht. Das Problem ist, dass ihm von dieser Riege scheinbar keine konkreten Exemplare bekannt sind; trotzdem sind das wie auf "King Sonny Black" und "Wenn Ich Will" die spaßigsten Passagen auf "König Für Immer", wenn das "Don Bushido"-Narrativ aufgeht.

Ausschläge nach unten gibt es im Einheitsbrei leider auch. "Rich Dad"s Streicher sind dermaßen zum Kotzen, es hört sich an wie Hintergrundmusik bei Gothic 2. Animus schreit auf "M.D.K" rum wie ein fettes Kind am Bestellscreen bei Mäcces. Die Nummer ist von seinem Part abgesehen aber ganz vernünftig. Zum einen unterhält, wie disparat die Parts der beiden sind - während Animus "Murder! Death! Kill!" skandiert, rappt Bushido im Wesentlichen nur über seinen Schwanz, und zum anderen macht er das hier auch noch vernünftig. Was so ein mieses Feature nicht helfen kann! Das langweilige, wirre "Black List" (nur echt mit unorthodoxer Schreibweise) rettet wegen seinem Pseudo-Arab-Beat zurecht niemand, "I Am Legend" mit seinem cringen Refrain erst recht nicht.

Letztlich wäre für den King trotzdem eine solide EP drin gewesen, denn ein paar vernünftige Songs gibt es, die den Moloch auf 1,51 Punkte hieven. Zuvorderst "Wallett" (mit einem "t" zu viel?), dessen Beat treibend ausfällt, der Bushido etwas herausfordert, der das sofort annimmt und sogar mehrere gute Sprachbilder raushaut. So gut zusammen passen die Einzelteile selten: "King Sonny Black" hat einen tollen Beat, mit dem der auf dem Track zu langsame MC nicht zurechtkommt, während der Beat von "Limbus" Sondermüll ist, aber Bushido eine gute Leistung zeigt. Dazu kommt das schon angesprochene "Dark Knight" und das seltsamerweise an den frühen Absztrakkt erinnernde, aber völlig inhaltsleere "Ying Yang". "Monte Cristo" zeigt, wie nahe Bushido an guten Songs vorbeischrammt; hätte er doch nur mehr Mut. Der Song startet stimmungsvoll mit einer Melodie, die durch unpassende trockene Drums unterdrückt wird. Wer sagt eigentlich, dass Bushido nicht mal nur auf einer Synthie-Figur rappen kann? Das wäre ein richtig interessanter Song geworden.

Trackliste

  1. 1. Burj Khalifa
  2. 2. Alte Feinde
  3. 3. Herrschaft
  4. 4. Frontline
  5. 5. Gebetet
  6. 6. Immer Noch Berlin
  7. 7. Rex In Aeternum
  8. 8. Wallett
  9. 9. Wenn Ich Will
  10. 10. King Sonny Black
  11. 11. Rich Dad
  12. 12. One Way
  13. 13. Monte Cristo
  14. 14. M.D.K. feat. Animus
  15. 15. Küss Die Hand
  16. 16. Morpheus
  17. 17. Ying Yang
  18. 18. Black List
  19. 19. Limbus
  20. 20. Süchtig feat. Loloo
  21. 21. I Am Legend
  22. 22. Thron
  23. 23. Petrichor
  24. 24. Dark Knight

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