laut.de-Kritik
Cardi B ist zweifelsohne gekommen, um zu bleiben.
Review von Yannik Gölz"Cardi B ist gekommen, um zu bleiben" ist ein Satz, der seit dem Nummer Eins-Erfolg von "Bodak Yellow" irgendwo zwischen Versprechen und Drohung im Raum steht. Eine Rapperin, die ihren Weg zum Ruhm über Stripclub und Reality-Fernsehen zurückgelegt hat, macht es dem zynischen Beobachter einfach, sie für einen Medienhype oder eine Eintagsfliege zu halten. Mit "Invasion Of Privacy" legt sie nun allerdings ein Debüt-Album nach, das nicht nur ihren kommerziellen Status zementieren dürfte, sondern auch eines unmissverständlich klar macht: Cardi kann verdammt noch mal rappen.
Der entscheidende Wendepunkt liegt vermutlich in "Finesse": Ihre nostalgische Bruno Mars-Kollaboration gab den sanften Anstoß, vom Trap-Senkrechtstarter auch in den großen Pop-Ligen mitzuspielen. Und schaut man auf vergleichbar erfolgreiche Acts der letzten Jahre wie Fetty Wap oder Desiigner, könnte man schlussfolgern, dass es vermutlich das Fehlen dieses Crossover-Appeals war, das deren darauffolgende Mixtapes wieder in der Versenkung verschwinden ließ.
Cardi B lässt hingegen ein ganzes Spektrum an Pop-Facetten aufblitzen. Sie bedient zwar weiterhin Stripclub-Sound zwischen Atlantas Southside ("Get On 10") und DJ Mustard ("She Bad" mit YG), gibt aber auch verwundbarere, ruhigere Aspekte ihrer Person preis ("Through Your Phone" oder "Be Careful").
Das Album hat etwas von einer Seifenoper. In fröhlichen Momenten sprudeln die Selbstsicherheit und die derben One-Liner gerade über, aber auch die melancholischeren Momente haben immerzu etwas Melodramatisches. Ob sie nun durch das Handy ihres Lovers stöbert oder Paranoia wegen seiner vermeintlichen Liebhaberinnen schiebt: "Invasion Of Privacy" taucht nicht existenziell tief ins Seelenleben oder die menschliche Erfahrung der Protagonistin ein, fängt dafür aber ihre Gefühle äußerst nahbar und glaubhaft ein. Es ist die Sorte Musik, von der man weiß, dass Zitate daraus in den kommenden Wochen Instagram-Storys weltweit beherrschen werden.
Man muss ihr dazu auch lassen: Die absurd komische Punchline beherrscht sie wie kaum eine Zweite. "I need Chrissy Teigen / Know a bad bitch when I see one/ Tell Rih-Rih I need a threesome". "I wear off white at church / prolly make the preacher sweat / read the bible, Jesus wept / bitch say that she gon' try me / how come I ain't seen it yet?" "Pussy so good, I say my own name during sex." und nicht zuletzt "Went from makin' tuna sandwiches to makin' the news / I started speakin' my mind and tripled my views / real bitch, only thing fake is the boobs." Die Dame ist nicht auf den Mund gefallen.
Bauernschlaue Baller-Slogans wechseln sich ab mit K.O.-Schlägen gegen untreue Exfreunde. Und gerade dieses Abschlachten von Verflossenen erinnert mehr als nur einmal an Queen B herself, die auch im Laufe des Albums mehrfach wie eine Art Schutzheilige angerufen wird. Ein interessantes Detail, denn all der ansteckenden Euphorie und Überheblichkeit zum Trotz liegt dem Tape im Detail ein tiefer Respekt vor der Kultur zugrunde. Natürlich gibt es Nods an Größen wie Tupac oder Biggie, aber auch südlichen Ikonen wie der Three 6 Mafia oder Project Pat wird auf Tracks wie "Bickenhead" oder "Moneybag" Hommage gezollt. Die "Ex-Factor"-Referenz auf "Be Careful" trägt zudem den Segen von Lauryn Hill höchstpersönlich.
Darüber hinaus hilft selbstverständlich auch das Songwriting einiges aus, um Cardi von ihrer besten Seite zu präsentieren. Soundtechnisch werden für einzelne Tracks auch konventioneller R'n'B ("Best Life" mit einem sehr warmherzigen Chance The Rapper), moderner RnB ("I Do" mit einer blendend aufgelegten SZA), konventioneller Pop (Frank Dukes produzierte "Be Careful") und sogar Reggaeton angezapft (Die Bad Bunny- und J Balvin-Kollabo "I Like It" beinhaltet ein äußerst prominentes Pete Rodriquez-Sample). Die hochkarätige Feature-Liste liefert durchweg genau nach ihren jeweiligen Stärken, auf der exekutiven Bank sitzt übrigens der halbe Wu-Tang Clan. Tatsächlich steht ein imposanter Kader hinter "Invasion Of Privacy".
Aber schlussendlich würde ja alle Hilfe der Welt nichts ausrichten, könnte die Frontfrau den Rummel nicht tragen. Und Cardi B spielt den Popstar auf diesem Tape so unglaublich selbstverständlich, als habe sie ihr ganzes Leben nichts anderes getan.
"Invasion Of Privacy" ist ein Spektakel. Ein Pop-Spektakel, in allen positiven und negativen Konnotationen des Begriffes. Es ist beizeiten seicht, überzeichnet, melodramatisch, hyperaktiv, laut, unbändig und direkt. Dafür wird es keine Sekunde langweilig. Wer sich darauf einlassen möchte, wird mit Sicherheit eine Menge Spaß damit haben, wer nicht, wird sowieso zwangsweise in naher Zukunft mit weiteren Single-Auskopplungen zu kämpfen haben: Cardi B ist zweifelsohne gekommen, um zu bleiben.
4 Kommentare mit 3 Antworten
Scheußliches Cover
Absolut, weibliche Variante von Max Headroom
+1
geniale songs drauf. Allen voran die leicht poppige nummer "be careful". Dauerschleife.
Eine 4 für dieses Album? Bitch, please.
Pitchfork 8.7, Guardian, Rolling Stone und NME 4/5, Consequence of Sound B+. Cardi B keeps on winnin. Ehrenbraut.
Im Vergleich kommt die neue Kacey Musgraves sogar besser weg. Pitchfork 8.7, Guardian 5/5, Rolling Stone 5/5, Consequence Of Sound A-. Vergesst also Cardi B.