laut.de-Kritik
Gimmie Love, Gimmie Love, Gimmie Love, Gimmie Love! Noch Fragen?
Review von Kai ButterweckCarly Rae Jepsens drittes Studioalbum "Emotion" beginnt durchaus vielversprechend. Leider hält die Freude über sphärische Saxofon-Klänge aber nur ganze 15 Sekunden an. Dann hat der unerwartet harmonisch klingende Beginn bereits ausgedient. Stattdessen übernimmt ein stumpfer Metronom-Beat das Ruder und macht den Weg frei für das, was bereits auf dem letzten Album der Kanadierin für gelangweiltes Kopfschütteln sorgte: nämlich kunterbunt aufbereitete Pop-Kost aus der Fast Food-Küche.
Mit Strophenmelodien aus dem Kindergarten-Archiv und aufgesetzter Leidenschaft im Refrain katapultiert sich die einstige Justin Bieber-Entdeckung wieder einmal ohne Umwege in all die Mädchenzimmer dieser Welt. Dass die ehemalige Canadian-Idol-Drittplatzierte mittlerweile kurz vor ihrem 30. Geburtstag steht, scheint die Verantwortlichen nicht die Bohne zu jucken. Carly Rae Jepsens Herz pocht immer noch im Pubertätsrhythmus.
Zwischen belanglosen Madonna-Reminiszenzen ("Emotion", "I Really Like You"), schwerelosen Galoppritten in Richtung Niemandsland ("Gimmie Love") und kurzweiligen Verschnaufpausen inmitten schmerzender Herzen ("All That", "Favourite Colour") präsentiert sich Carly Rae Jepsen wie eine abseits von Bettgeflüster Rat gebende Frau Dr. Sommer der Neuzeit.
Wie sag ich meinem Freund, dass ich ihn so richtig knuffig finde? Am besten mit Nachdruck ("I really, really, really, really, really, really like you!"). Er rafft es immer noch nicht? Dann muss man halt deutlicher werden ("Gimmie Love, Gimmie Love, Gimmie Love, Gimmie Love, Gimmie Love!"). Schon nach dem ersten Drittel des Albums brummt einem der Schädel.
Spätestens aber wenn all die bezirzt im Hintergrund schunkelnden Mitverantwortlichen (Sia, Greg Kurstin, Peter Svensson, Ariel Rechtshaid, Mattman & Robin, Carl & Rami, und, und, und!) alles Verfügbare mit in die Runde werfen, ist der Ofen endgültig aus. Dann wird der Funk ins Kinderzimmer gezerrt ("Boy Problems"), der Dancefloor mit müffelndem Dubstep-Reiniger gewischt ("Warm Blood") und die Essenz des 80s-Pop durch den Uhuhuhu-Reißwolf gedreht ("When I Needed You").
Phasenweise hibbeln die Beine sogar im Rhythmus mit, doch am Ende verabschiedet sich das meiste dann doch auf Nimmer Wiederhören – es sei denn, es verschafft sich irgendwann Gehör im BRAVO-Zimmer von Nachbars Töchterchen. Dann habe ich den Salat.
10 Kommentare mit 12 Antworten
Für mich mit Abstand das beste Pop-Album des Jahres. Es überrascht mich aber überhaupt nicht, dass die Platte hier nur einen Stern bekommt. Wer tolle Pop-Songs mit starken Melodien mag sollte aber bitte trotzdem unbedingt reinhören.
Wieso überrascht dich der eine Stern nicht?
Ich find im Vergleich zum Vorgänger ne immense Steigerung, für mich die warscheinlich größte Überraschung dieses Jahr bisher. Villeicht kein Meilenstein aber trifft definitiv die richitgen Töne in jeder Hinsicht und wird nicht langweilig nach mehrfachem hören, kann die schlechte Kritik auch nicht ganz nachvollziehn. 'All That' bester song.
Das sehe ich ähnlich. Würde eine 3/5 geben.
Aber die größte musikalische Überraschung des Jahres kommt für mich definitiv von Miley Cyrus.
Sogar ich gebe hier immerhin 2/5.
War schon etwas überrascht von der Wertung, bis ich gestern gesehen habe das es der selbe Rezensent ist, der Jessie Ware's "Devotion" mit 3/5 abgefertigt hat. Na ja jedem das seine. Ich finde es überraschend sehr gelungen, mit kleinen Abstrichen. "All That" ist ein Song den Prince wohl gerne geschrieben/komponiert hätte.
Meine Highlights:
Run Away With Me
I Really Like You
All That
Warm Blood
4/5
Die Songs haben durchaus Schmiss, Energie und für eine Mainstream-Pop-Produktion hat die Platte schon eine verhältnismäßig tolle Dynamik und eine gute Spannungskurve. Sehe es bei 4/5. Kann man immer noch prima durchlaufen lassen.
Übrigens gab es ein Jahr später die B-Seiten. Gefallen mir fast noch besser als das Album und haben atmosphärisch einen größeren 80's-Vibe. Ein gut gemachter Knaller nach dem nächsten.
diese rezension ist ein perfektes beispiel, wie kolossal ein kritiker daneben liegen kann.