laut.de-Kritik
Seltsame Klänge vom früheren Dream Theater-Tastenmann.
Review von Michael EdeleScheiße, nehmen eigentlich gerade alle irgendwelche Drogen? Das Ding kann man genauso wenig musikalisch einordnen, wie das ebenfalls diese Woche erschienene Solo-Album des Nile-Fronters Karl Sanders.
Zwar unterscheiden sich beide Alben auf der einen Seite wie Tag und Nacht, sind vom Prinzip her aber gar nicht so weit auseinander. Während Sanders mit seinen Klängen dem Film im Kopf des Hörers entstehen lässt, hat sich Moore beim Schreiben von "Graveyard Mountain Home" von einem Film ("Age 13") inspirieren lassen.
Soundtrack-Erfahrung durfte er ja schon zuvor mit dem Schreiben der Musik zur ersten türkischen Horrorkomödie "Okul" sammeln. Es ist also kein Wunder, wenn auch das neue Chroma Key-Album nach einem Soundtrack klingt. Waren die ersten beiden Alben noch irgendwo zwischen Dark Ambient und New Artrock angesiedelt, so entfernt er sich auf dem dritten Werk doch deutlich von letzterem und schmuggelt dem Hörer beinahe unbemerkt lieber mal einen 9/8 oder 7/4 Takt unter.
Überhaupt hat Moores neue Heimat Istanbul großen Einfluss auf sein Verhalten als Songwriter. So tauchen immer wieder orientalische Klänge und Arrangements auf, die man in der Art bisher nicht vom ehemaligen Dream Theater-Tastenmann kannte. Doch leider kann ich nicht behaupten, dass die Stücke dadurch eingängiger oder leichter zu konsumieren wären. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
"Before You Started" (unter Vorbehalten) und "Again Today" sind noch am ehesten als Songs zu betrachten, die auch für sich allein stehen könnten. Bei den meisten anderen Stücken handelt es sich in weiten Teilen eigentlich um Chill-Out-Mucke, die aber insgesamt zu komplex ist, um sich einfach davon treiben zu lassen.
Man muss sich unwillkürlich fragen, was im Hirn eines Musikers vorgeht, um schlichte, aber ergreifende Melodien mit so seltsamen Spoken Word Samples wie in "Human Love" oder Hintergrundgeräuschen wie in "Pure Laughter" zu verbinden. Und warum höre ich mir zwei Minuten Regen in "Andrew Was Drowning His Stepfather" an? Ist das noch Genialität oder schon Wahnsinn? (knusper, knusper, knäuschen)
Der rein akustische Aspekt des Albums, macht es dem Konsumenten also alles andere als leicht. Jedoch relativieren sich sämtliche oben getroffenen Aussagen wieder, wenn man sich nicht nur die Musik anhört, sondern den als Quicktime-File auf der CD enthalten Film dazu ansieht. Auf einmal hat alles eine andere Wirkung, und man kann sich der Musik nur schwer entziehen.
Ob sich dieser Effekt später auch auf das reine Hörerlebnis transferieren lässt, muss sich erst noch zeigen. Jedenfalls ist "Graveyard Mountain Home" ein sehr außergewöhnliches Stück Unterhaltung geworden.
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