laut.de-Kritik

Whirlpool, Blowjob, Koks und Zuckerwatte.

Review von

Chromeo, das sind die beiden lustig aussehenden Typen aus Montreal/Kanada, deren Style auf den ersten Blick so gar nicht zu der Musik passen möchte, welche die beiden, v.a. auf dem ebenfalls aus M. stammenden Turbo-Label, in schön regelmäßigen Abständen veröffentlichen. Denn da trifft optisch mal grob gesagt ein junger Helmut Zacher auf einen geschrumpften Moses P., und heraus kommt durchaus interessante Musik zwischen Popelektro und Techhouse. Das wird in der Elektronikerszene durchaus goutiert, von allseits beliebten Spezialisten wie z.B. Freund Tiga gezielt gefördert und folglich auf den passenden Dancefloors rund um den Globus rauf und runtergespielt.

Mit "Un Jolie Mix Pour Toi" beehren uns die beiden zweisprachigen Wundertüten mit einer exklusiven Mixtur, die uns in einer Zeit-Raum-Maschine umgehend in das Miami Don Johnsons zurück- und querversetzt. Dass die beiden Chromeos ihre gar nicht so geheimen musikalischen Wurzeln eigentlich im schlüpfrig-süßlichen Elektronik-Disco-Funk-Kontext der 80er sehen, ist nach Trax wie "Needy Girl" oder "You're So Gangster" nicht weiter verwunderlich. Dass es dann aber auf dem "Jolie Mix" gleich ein solch ultrakonsequentes Rumgefummele in Mixform gibt, das schon.

Die gefeatureten Artists hören auf klangvolle Namen wie z.B. Sharon Redd, Robert Palmer, Michael Jonzun, Jellybean oder auch Herbie Hancock. Da ist die Richtung schon mal ziemlich klar vorgegeben. Seinerzeit hochmoderne elektronische Diskomucke, die schon groovt und funkt, gerne aber auch mal greasy und cheesy bis zum Abwinken sein darf. Die Lyrics der 17 Trax enthalten durchweg Botschaften wie "She Can't Love You", "I'm Begging For Your Love", "I'm Burnin Up" oder "Hold Me Tight On This Hot Summer Night". Einzig Calloway begnügen sich mit der Vorstufe des amerikanischen Sextraums und geben unverhohlen zu: "I Wanna Be Rich". Dann kann man sich nämlich endlich das Motorboot kaufen, auf die ganzen Discohasen unbedingt zum Champagner schlürfen kommen wollen ...

Wem jetzt die oben genannten Artists oder zitierten Textlines noch keinen hinreichenden Hinweis darauf geben, was einen beim lustigen Chromeo-Mix exakt erwartet, dem sei noch gesagt, dass man sich zuweilen an die frühen Wham, dann wiederum an das Mittelwerk von Michael Jackson oder auch der jungen Shannon erinnert fühlt. Disco trifft frühen Electrohop und -pop. Ob das nun gut oder schlecht ist, sei mal dahin gestellt, Geschmacksache halt.

Keine Geschmacksache ist hingegen die handwerkliche Art und Weise, in der dem Publikum die Sause präsentiert wird. Handwerklich sauber, ohne nervige Mixkapriolen, dem Sound stets angemessen, servieren die beiden Künstler ihre doch sehr spezielle Titel-Auswahl wie aus einem Zuckerguss. Ein Track flutscht reibungslos in den anderen, das Listing ist wohlkomponiert. Genau genommen funktioniert die ganze CD wie ein einziger Song, ein energisches Statement. Dass dieses Statement die oben beschriebenen Seichtigkeiten en masse enthält und zum roten Faden der Auswahl erhebt, ist die Kehrseite der Medaille. Denn was als künstlerischer Einfluss für zeitgenössische elektronische Musik gerne herhalten darf, ist als 47:22-minütige Rutschpartie nicht für jedermanns Ohren eine Offenbarung.

Und so ist zu befürchten, dass diejenigen, die mit dem Namen Chromeo etwas anfangen können, sich verwundert die Ohren reiben werden (etwa so wie ich beim ersten Hördurchlauf), diejenigen jedoch, denen der dargebotene Sound echt gut reinlaufen könnte, von der Existenz dieser CD niemals erfahren werden, weil sie lieber zum 10.000sten mal sich "Club Tropicana" oder "Dr. Beat" reinziehen, als einmal einen Tonträger, der nach 1989 released wurde, in die Hand zu nehmen. Daher ist in meinen Augen "Un Jolie Mix Pour Toi" ein durchaus interessantes Soundmuseum, das angenehm nach Whirlpool, Blowjob, Kokain und Zuckerwatte schmeckt, als ernsthafte Tanzapplikation 2005 jedoch für die meisten Chromeofans nicht zu gebrauchen ist.

Trackliste

  1. 1. Elektrik Funk - On A Journey
  2. 2. Sharon Redd - Beat the Street
  3. 3. Chemise - She Can't Love
  4. 4. Michael Jonzun - Burnin Up
  5. 5. Jellybean - Who Found Who
  6. 6. Modern Romance - Burn It
  7. 7. David Grant - Stop And Go
  8. 8. Love Club - Hot Summer Nights
  9. 9. The Jets - Rocket 2 You
  10. 10. Kleever - You Got Me Rockin
  11. 11. Herbie Hancock - Tell Everybody
  12. 12. Daddy Dewdrop - Nanu Nanu
  13. 13. Temper - No Favors
  14. 14. Total Contrast - Takes A Little Time
  15. 15. Robert Palmer - You Are In My System
  16. 16. Calloway - I Wanna Be Rich
  17. 17. Warp 9 - No Man Is An Island

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