laut.de-Kritik
Hier trieft jedes Flanellhemd vor Schweiß.
Review von Kai ButterweckChuck Ragan macht auf seinem neuen Album genau da weiter, wo er erst vor wenigen Wochen mit seinem Live-Meilenstein "Live At Skaters Palace" aufgehört hat. Mit einer kompletten Akustik-Band im Schlepptau (Todd Beene, John Gaunt, Joe Ginsburg, David Hidalgo Jr.) lässt es der Hot Water Music-Mastermind so richtig schön erdig krachen. Der bärtige Troubadour nimmt die geballte Impulsivität seiner Live-Shows mit ins Studio.
Das eröffnende "Something May Catch Fire" führt zunächst auf Irrpfade. Doch der musikalische Blinde-Kuh-Gang währt nur kurz. Ganze zehn Sekunden lang gaukelt die gezupfte Akustische tiefenentspannte Americana-Ruhe vor, ehe Chuck Ragan sich mit breiter Brust vor dem Mikrofon postiert und gemeinsam mit der Hufen scharrenden Hintergrund-Bande zum fulminanten Folkrock-Angriff bläst.
Chuck Ragan ist anders als die meisten seiner Kollegen ("Non Typical"). Er genießt die Freiheit ("Vagabond"), singt sich im Schlafsack am liebsten selber ins Land der Träume ("Bedroll Lullaby") und gönnt seinem Herzen immer wieder gerne einen Spaziergang an der frischen Luft ("Gave My Heart Out"). Mit der Inbrunst des pubertierenden Bruce Springsteen und der entfesselnden Energie eines Frank Turner, sägt sich der kauzige Sänger aus Pasadena, Texas einen dreiminütigen Holzfällerblock nach dem anderen zurecht.
Wer dauerhaft auf Hochtouren fährt, der darf auch mal verschnaufen. So bittet der Sänger zur Mitte des Albums hin zum beruhigenden Pausentee ("Wake With You"). Trotz heruntergefahrener Regler bleibt der Hörer aber hellwach, wenn sich die kratzige Stimme des Protagonisten mit der Wärme eines lodernden Lagerfeuers um akzentuiert angeschlagene Stahlsaiten wickelt.
Mit "You And I Alone" verneigen sich die Verantwortlichen vor dem Erbe von Joe Strummer. Aufgepeppt mit akustischen Gaslight Anthem-Vibes bringt der Song jeden noch so übermüdeten Folk-Kopf zum Nicken.
Auch die letzten mobilisierten Kräfte entfachen mehr Feuer als so manch Übungsszenario einer Kleinstadt-Feuerwehr ("Whistleblowers Song"). Spätestens jetzt trieft jedes Flanellhemd vor Schweiß. Zeit, um Abschied zu nehmen. Der letzte musikalische Gruß ist an Tiefe und Dynamik kaum noch zu überbieten ("For All We Care"). Gepriesen sei der Erfinder der Repeat-Taste.
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